Home office in times of Corona… in einem Bild
Gemeinsam durch die Krise: Die ad hoc international publiziert Pandemie-Erfahrungen aus dem Netzwerk.
9. Dezember 2019
Ein Beitrag von Likki-Lee Pitzen
„Likki weiß, dass bei erneuerbaren Energien noch einiges geht. Der Wille, den absoluten Klima-Kollaps à la Eröffnungsszene aus Terminator 2 noch abzuwehren, brachte Sie zu dem Thema. Auch sonst liegt ihr viel an der Umwelt und dem Leben, das ihr innewohnt. Im Kollegjahr war sie erst bei der Weltbank, dann im Asset Management für nachhaltige Infrastruktur und mittlerweile wieder zurück im öffentlichen Sektor.“
Mein Name ist Khaldun Al Saadi. Ich bin aktuell 29 Jahre alt, habe drei Kinder und an der Universität Leipzig meinen Bachelor und am King’s College London meinen Master absolviert. Ich wurde in Karl-Marx-Stadt, jetzt Chemnitz, geboren, und gehöre damit zur deutschen Nachwendegeneration.
Es ist gut, dass wir heute wieder mehr darüber reden, wie dieses autoritäre Regime und die Nachwirkungen seines Kollapses bis heute Menschen prägt. Das vermittelt ein besseres Gefühl dafür, wie sehr das Selbst ein Teil von Geschichtlichkeit sein kann. Das ist zunächst einmal ein Gewinn, aber auch eine Verantwortung.
Es wird klar, dass die eigene Existenz über die Geburt und Sozialisation hinaus immer auch in einem geschichtlichen Zusammenhang steht. Das heißt, dass auch das eigene Wirken – insbesondere innerhalb einer Demokratie, in der kein Bürger sich politischer Verantwortung entziehen kann – in besonderem Maße das Selbst der anderen beeinflusst. Ich erwähne das, weil ich dieses Wirken, auch im Kontext meiner Arbeit, zunehmend auch in Beziehung zu meinen heranwachsenden Kindern stelle.
Mir ist es wichtig, diskursive Schutzräume zu schaffen abseits einer realen oder imaginierten taktischen Öffentlichkeit. Denn sehr oft folgt die Kommunikation eines Individuums einer Unterwerfung durch eine angenommene Erwünschtheit von sozialen Bezugsgruppen oder erhofften Interaktionsraten.
Darunter verstehe ich insbesondere nicht-digitale Möglichkeiten kommunikativer Aushandlung, die intersubjektives Verstehen und Lernen zur Meinungsbildung und politischen Handlungsfähigkeit fördern.
Ich bin mittlerweile recht pessimistisch, was die Einbindung taktischer Medien – dazu gehören auch soziale Medien – in die gesellschaftspolitische Debattenkultur angeht, auch wenn das letztlich unumgänglich ist. Die Bücher „LikeWar“ von Singer und Brooking sowie „This is not Propaganda“ von Peter Pomerantsev haben zu dieser Meinung beigetragen sowie meine berufliche und akademische Beschäftigung mit der PEGIDA Bewegung. An einer zumindest limitierten Einbindung kommen wir aber nicht vorbei. Und das kann sogar positive Auswirkungen haben. Das zeigt beispielsweise das Video des Influencers Rezo als impulsgebendes Element. Letztlich wird eine bewusste Abwägung entscheidend sein, um eine Gesprächskultur zwischen Menschen zu etablieren, die der Tatsache gerecht wird, dass es keine Unterscheidung mehr zwischen „echter“ und „virtueller“ Welt gibt.
Privat der Person, die Brezeln mit Butterdirekteinspritzung erfunden hat.
Außerdem den Produzenten und Mitwirkenden des öffentlich-rechtlichen Serienformats DRUCK (David und Mattheo – ihr seid großartig!). Dort werden Personen, die häufig marginalen Gruppen unserer Gesellschaft zugeschrieben werden (wie z.B. Transmenschen und Muslime), auf sensible aber lebensnahe Weise in Szene gesetzt.
Auf der Ebene der Politik würde ich denjenigen in illiberalen Staatssystemen agierenden Bürokraten einen Preis verleihen, die sich entgegen der Funktion der Bürokratie als ausführendes Organ ihres Gewissens ermahnen und gegen diese quasi unsichtbare Macht antreten, wenn es moralisch notwendig ist. Tatsächlich gibt es dafür bereits einen Preis: Integrity Idol. Er wird durch das von Blair Glencorse geführte Accountability Lab verliehen wird.
Ich bin Landeskoordinator des Demokratie-Zentrums Sachsen und damit Angestellter des sächsischen Freistaats.
Ich habe das Glück keiner klassischen Verwaltungstätigkeit nachgehen zu müssen, auch wenn Verwaltung immer auch ein Bestandteil des Jobs ist. Aktuell stärke ich die Vernetzung und initiiere Aushandlungsprozesse zwischen muslimischen Organisationen und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren, der kommunalen Verwaltung, Sicherheitsbehörden, Trägern der Wohlfahrt und anderen Religionsgemeinschaften. Gerade in Ostdeutschland ist das Pionierarbeit, aber sie lohnt sich in meinen Augen. Wir richten Dialogrunden mit diesen Akteuren aus und begleiten sensible Teilprozesse wie Sicherheitspartnerschaften.
Der Fokus unserer Koordinierungs- und Beratungsstelle Radikalisierungsprävention, kurz KORA, hat sich bisher primär auf islamistischen Extremismus fokussiert. Ich rege aber dazu an, nicht Ideologien, sondern Menschen, die sich radikalisieren, in den Mittelpunkt zu stellen. Ich präferiere also Präventions- und Interventionsansätze, die möglichst phänomenübergreifend sind. Es gibt mittlerweile so viele radikale und gewaltbereite Ideologien von weniger bekannten z.B. geschlechterorientierten Ideologien wie Incels, bis zu politischen Ideologien wie Reichsbürgertum, Islamistischer Extremismus, linke Militanz und die unterschiedlichsten Facetten des Rechtsextremismus. So faszinierend die Ideologien sind, müssen wir uns dem eigentlichen Problem zuwenden: der Diskursverunfähigung, die von Trollen über Einschüchterung bis zur Tötung reicht. Diskursfähigkeit ist aber das Lebensblut liberaler Demokratien.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir meine Eltern explizit ihre Vorstellungen für meinen Werdegang unterbreitet haben. Trotzdem habe ich lange Zeit gedacht, dass ich Lehrer werden müsste, da meine Eltern und viele meiner Verwandten einen pädagogischen Bezug haben. Ich selbst hatte nie nur eine einzige Vorstellung davon, was ich werden will. Ich habe geschwankt zwischen Gerichtsmediziner, Archäologe – und eben Lehrer. Letztendlich bin ich im Ministerium gelandet und glaube, dass das gut ist.
Es gibt eine Frage, die mich in letzter Zeit wieder stärker umtreibt.
Dazu muss ich kurz ausholen: väterlicherseits habe ich jemenitische Wurzeln. Um genau zu sein, gehören die Al Saadis zum Stamm der Yafi’i, nach denen ein Gebiet im Südwesten im Jemen benannt ist. Dort wiederum gibt es fruchtbare Gebiete, in denen Kaffee wächst. Und jetzt kommt meine Frage bzw. Idee:
Wie kann man ein Social Business aufbauen, das jemenitischen Kaffee fair produziert und exportiert und zugleich dafür sorgt, dass Gewinne sinnvoll in soziale Infrastruktur investiert werden können? Ich denke, dass ich Antworten im Jemen selbst, aber auch in den Alumni-Netzwerken der Mercator- und Robert Bosch Stiftung finden kann. Es gibt dort so viele großartige Menschen. Mithilfe ihrer Expertise und Erfahrung könnte ich der Beantwortung meiner Frage näher kommen.
Wenn mir Themen am Herzen liegen, dann entwickle ich eine leidenschaftliche Beziehung zum dazugehörigen Diskurs. Dabei rege ich mich gerne auf. Das ging mir bei einer PEGIDA Demo so, in deren unmittelbarer Nähe ein Stand für die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck aufgebaut war. Ich habe einem der Unterstützer gesagt, dass ich das für „Nazi-Scheiße“ halte. Daraufhin drohte er mit Gewalt und bezeichnete mich als links-grün. Umgehend habe ich widersprochen und ihn wiederum als links bezeichnet. Immer stand auf seinem T-Shirt „Freiheit und Mut, die Wahrheit zu sagen“ und das erinnerte mich an ein Che Guevara Zitat (fragt mich bitte nicht welches). Er schien verwirrt und plötzlich haben wir über seine schwierigen Nachwendeerfahrungen gesprochen. Das hat die Stimmung zwischen uns wesentlich verbessert. Zum Schluss habe ich natürlich, um keinen falschen Eindruck zu hinterlassen, nochmal ruhig darauf hingewiesen, dass ich den Stand nach wie vor für „Nazi-Scheiße“ halte. Diesmal konnte er es als legitime Meinung zulassen. Es lohnt sich also, sich mal richtig aufzuregen, wenn man dann noch irgendwie die Kurve bekommt.
Die Konfrontation mit stereotypen Geschlechterbildern ist allgegenwärtig – auch in Märchen. Um Märchen kommen meine Kinder sowieso nicht herum, also nehme ich das als Herausforderung. Ich rege meine Kinder dazu an, diese Geschichten nicht als gesetzt zu sehen. Aktuell macht es mir deshalb Freude, gemeinsam mit meiner 5-jährigen Tochter Märchen zu lesen und die Geschlechter der Protagonistinnen und Protagonisten in den Geschichten zu diskutieren. Generell glaube ich an die Kraft der guten Fragen.
Deshalb macht mir meine Arbeit auch Freude: Es gehört zu meinen Aufgaben, Menschen zu Gedanken über ein gutes Miteinander anzuregen.
„Irgendwann ist Schluss“.
„Alles hat ein Ende – nur die Wurst hat zwei“ wäre wohl zu lang.
Ich habe bereits mein Interesse an phänomenübergreifender Extremismusprävention geäußert. Ich möchte mich gerne noch eingehender damit auseinandersetzen und dafür werben, das Konzept der KORA entsprechend anzupassen.
Und persönlich: immer dienstags und donnerstags zum Morgenschwimmen zu gehen.