Rebellenstädte an die Macht
Im Prozess der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Transformation sind Städte zugleich Bühne und Hauptakteure.
4. Mai 2016
Ein Beitrag von Sarah Bidoli
Hört man „Schengen,“ denkt man vielleicht an das Abkommen über den freien Personen- und Güterverkehr in Europa; wenn überhaupt. Im Kontext der Flüchtlingskrise und der teilweise wieder eingeführten Grenzkontrollen war es immer wieder in den Schlagzeilen. Die Wenigsten dürften allerdings genau wissen, was und wo „Schengen“ eigentlich ist. Das kleine Dorf liegt im Süden Luxemburgs an der Mosel, im Dreiländereck von Luxemburg, Deutschland und Frankreich. Sarah Bidoli von ad hoc international war im Juni in Schengen unterwegs und nimmt uns mit auf einen fotografischen Spaziergang.
(1) „Häerzlech Wëllkomm zu Schengen.“
Von meinem Heimatdorf aus, gut fünf Kilometer von Schengen entfernt, gelangt man über eine idyllische Weinbergslandschaft ins Dorfzentrum. Die Dorfkirche, der Mittelpunkt der 600-Einwohner-Siedlung, sieht man schon aus der Ferne.
(2) Das Denkmal.
Wenn man dem Verlauf der Weinberge hangabwärts folgt, kommt man zum Europadenkmal „Accord de Schengen“. Drei Stahlsäulen mit jeweils einem Stern symbolisieren die ersten Unterzeichnerstaaten des Schengener Abkommens: Frankreich, Deutschland und die Benelux-Staaten (Belgien, Niederlande, Luxemburg ). Diese Aufnahme vom 25. Juni 2016 zeigt die europäische Fahne auf Halbmast; einen Tag zuvor war das Resultat des Referendums in Großbritannien und somit der britische Wunsch, die EU zu verlassen, verkündet worden.
(3) Die viralen Ortsbeschilderungen.
Dieses Bild hat während der Fußball-Europameisterschaft in den sozialen Medien für Aufsehen gesorgt, da es das Endresultat für das Halbfinalspiel Deutschland – Frankreich prognostizieren sollte: Deutschland 2, Frankreich 1. Die Vorhersage entpuppte sich als falsch, Frankreich gewann 2:0. Die Schilder stehen tatsächlich in Schengen kurz vor der Brücke, die Luxemburg von Deutschand und Frankreich trennt.
(4) Das Europäische Museum.
Am 13. Juni 2010, zur Feier des 25-jährigen Bestehens des Schengener Abkommens, wurde das Europäische Museum eingeweiht. Leider kann man es momentan nicht besichtigen, da im Mai in einem Ausstellungsraum ein 40 Quadratmeter großes Stück der Decke einstürzte. Einige Einwohner sahen den Einsturz als Vorbote für den Brexit, für den die Briten nur drei Wochen später stimmten. Vor dem Museum können sich Touristen durch das Hinterlassen eines Schlosses verewigen. Besonders beliebt ist dieser Brauch bei deutschen Touristen.
(5) Ein Stück Berlin in der Welt.
Am 8. Februar 2010 wurden diese zwei Blöcke der Berliner Mauer auf der luxemburgischen Seite der Mosel aufgestellt, als man das 25-jährige Bestehen des „Schengener Abkommens“ feierte. Im Hintergrund kann man die Brücke erkennen, die man überqueren muss, um nach Deutschland oder Frankreich zu gelangen.
(6) Das Schloss im Dorf.
5 000 Quadratmeter historische Baukunst auf 1,3 Hektar Grundstücksfläche sind in Schengen ebenfalls zu sehen. Die Ursprünge der Wasserburg reichen bis in das Jahr 1390 zurück. 1793 wurde die Burg aber größtenteils vom damaligen Besitzer abgerissen, lediglich ein Rundturm (links im Bild) überlebte, der inzwischen von Efeu bewachsen ist. An der Stelle der Burg errichtete man 1812 das abgebildete Herrenhaus. Der französische Schriftsteller und Schengengast Victor Hugo fertigte 1871 eine Zeichnung des Schlossturms an, die man ebenfalls hier bewundern kann.
(7) Ein Auszug aus dem Dorfleben.
Luxemburger lieben Dorffeste! Während unseres Besuches im Juni fand die „Pe’teschkier- mes“ statt, ein Fest, das vom Fischerverein aus dem Nachbardorf in Schengen organisiert wird. Neben Livemusik, luxemburgischen Weinen und Bieren wurden auch die typischen Luxemburger Gerichte serviert, wie etwa „Paschtéit“. Das ist die luxem- burgische Übersetzung für „bouchée à la reine“, im Deutschen bekannt als „Königinpastete“.