19. Dezember 2013

Aid for development – Führen mehrere Wege nach Rom?

Viele der derzeitigen und früheren Mercator-Kollegiaten beschäftigen sich mit Fragen der Entwicklungshilfe, allerdings aus verschiedenen Perspektiven. Im Rahmen meiner Arbeit am ‚International Institute of Educational Planning‘ (IIEP-UNESCO), mit Sitz in Paris, habe ich mehrere dieser Kooperationsansätze mit Entwicklungsländern kennen gelernt und möchte diese kurz vorstellen.

Während meines Aufenthaltes in Paris fand die Hauptversammlung der UNESCO statt, dem das Jugendforum vorausging. Dieses Format ist sicherlich einer der Klassiker der Internationalen Zusammenarbeit: Staats- und Regierungschefs sowie die wichtigsten Vertreter eines jeden Politikbereiches (Bildung, Kultur, Wissenschaft…) versammeln sich mehrere Tage im Hauptsitz einer Internationalen Organisation, um ihre nationalen Politiklinien zu erläutern und zu vertreten, Kompromisse zu schmieden, Positionspapiere zu verabschieden. Neben dem ‚General Committee‘, das sich mit den großen Richtungsfragen beschäftigt und in dem wichtige Würdenträger ihre nationalen Standpunkte in 3-minuetigen Reden vorbringen, arbeiten die Unter-Komitees Details der zu verabschiedenden Erklärungen aus. Die Realität ähnelt in der Tat den von vielen von uns simulierten Model United Nations: schwierige Kompromisssuche, langwieriges Durchgehen einzelner Paragraphen und des genauen ‚wordings‘, Bekenntnisse der Staatsoberhäupter zur Unterstützung des Auftrages der UNESCO, Empfänge mit Blick über den Eifelturm am Abend, bei denen sicherlich der eine odere Vertrag geschlossen wird.

Kurz vorher, in den Tagen des Jugendforums, trafen sich junge Menschen aus aller Welt  in Paris, um sich ebenso in einem ähnlichen Prozess auf eine Erklärung einigen, die im Rahmen der Hauptversammlung vorgestellt wurde und mit der sie Einfluss auf die internationale Politik zu nehmen suchen. Ihr Verhandlungsergebnis stellte die Teilhabe junger Menschen am Politikformulierungsprozess in den Vordergrund, thematisierte ‚social entrepreneurship‘ als wichtiges Innovationsmedium und beschäftigte sich mit den Kernkompetenzen, die für einen erfolgreichen Übergang von Ausbildung zum Arbeitsmarkt notwendig sind.

Die UNESCO kann somit vor allem als Forum und Plattform zum Austausch zwischen Regierungen zu den Themen Kultur, Bildung und Wissenschaft gesehen werden; sie sucht bestimmte Schwerpunkte wie qualitativ hochwertige Bildung oder das Voranbringen der Post-MDG Ziele auf die nationale Politikagenda aller Mitgliedsstaaten zu setzen (advocacy), internationale Standards und Rahmenbedingungen zu schaffen sowie die Rolle eines intellektuellen Vorbringers von Werten und Normen im Bereich Bildung und zu übernehmen. So werden zum Beispiel Kampagnen und  Konzepte wie ‚Bildung für alle‘ oder ‚global citizenship education‘ durch das Abfassen von Positionspapieren und Expertentreffen vorangetrieben und die Rolle von Bildung in einer sich immer stärkeren globalisierenden und technifizierenden Welt neu überdacht.

Neben dieser eher konzeptionellen Arbeit bezieht sich ein zweiter, weniger bekannter Einsatzbereich der UNESCO auf die technische Zusammenarbeit und den Aufbau von Ressourcen und Kapazitäten. So definiert sich das IIEP, das zur größeren UNESCO-Familie gehört, als ‘capacity development institute which aims to strengthen capacity of ministries of education to plan and manage their education systems’. Ziel ist es, nationale Bildungsministerien beim Aufbau ihrer Systeme zu unterstützen. Dies geschieht durch gezielte Ausbildung von Mitarbeitern in der Verwaltung in den Bereichen Bildungsplanung und Management, entweder per Internet aus der Distanz oder während des einmal im Jahr stattfindenden Kurses in Paris. Zweiter Bestandteil der Arbeit ist angewandte Forschung, um die Trainingskurse und –Materialien so realitätsnah wie möglich zu gestalten. Derzeit läuft zum Beispiel ein großes Projekt zu Fragen der Finanzierung von Bildung durch Stipendien und deren Auswirkungen auf Chancengleichheit im Zugang.

Im Bereich ‚technical assistance‘ werden diese Kenntnisse dann bei der Zusammenarbeit mit Regierungen einzelner Entwicklungsländer gebündelt: ich konnte zum Beispiel an einem ‚twinning‘ Projekt zwischen dem IIEP und einem nationalen Lehrerbildungsinstitut in Kambodscha mitwirken, dessen Aufgabenbereich es zu erweitern gilt, um zukünftig auch nationale und regionale Beamte im Bereich Bildungsplanung auszubilden. Das IIEP arbeitet hier im Vergleich zu vielen anderen Hauptsitzen Internationaler Organisationen sehr praxisorientiert und nah am Geschehen, indem es Mitarbeiter zur Implementierung der Projekte direkt vor Ort sendet.

Eine der ‚missions‘, an der ich im Rahmen meiner Tätigkeit hier teilnehmen konnte, führte mich also an die Küste von Kambodscha, wo wir mit einer Gruppe von Teilnehmer des nationalen Trainingsinstitut im Rahmen eines Workshops von vier Tagen einen Einführungskurs in die Bedingungen von Bildungsplanung in Kambodscha (Gesetzesrahmen, Phasen des Politikplanungsprozess, Rolle der einzelnen regionalen und nationalen Akteure in der Entwicklung eines Bildungsplans etc.) entwickelten. Interessant waren hier nicht nur Einblicke in die Verwaltungsstrukturen und Herausforderungen eines Landes wie Kambodscha, sondern auch der Austausch mit den offenen und motivierten Teilnehmern, die offensichtliches Interesse an der Weiterentwicklung ihres Bildungssystems zeigten. Und uns Land und Kultur näher brachten – das Paradigma der klassischen Entwicklungshilfe wurde somit auch in der Praxis ueberholt; Prozesse sind auf gegenseitiges Lernen ausgerichtet. Es folgten zum Abschluss der Dienstreise zwei Tage in Phnom Phen, wo  Ergebnisse des ersten Jahres der Umsetzung zusammen mit UNICEF, welches das Projekt finanziert, evaluiert wurden.

Der Ansatz des IIEP, direkt mit den nationalen Ministerien zusammenzuarbeiten und den Prozess eher unterstützend zu begleiten statt selbst zu implementieren (Stichwort ‚local ownership and participatory process planning‘) hat sich in der Erfahrung der Mitarbeiter und meinen kurzen Einblicken als durchaus erfolgreich und von den lokalen Akteuren als gut angenommen erwiesen. Das IIEP erhält immer wieder Anfragen von nationalen Regierungen, sie bei der Implementierung ähnlicher Vorhaben zu unterstützen.