31. Oktober 2020

Die kleinen Spiele der Macht

31.10.2020 — Hamburg, Deutschland

Was braucht es, damit mehr Frauen in ihren Organisationen in Führungspositionen aufsteigen? Ein Kernaspekt ist es, die “Mikropolitik” dieser Organisationen zu verstehen, wie meine Forschung zeigt. Was das genau bedeutet, erkläre ich anhand eines Fallbeispiels.

Ein positives, bejahendes Verhältnis zu Macht wirkt sich positiv auf die Karriere aus. Dazu zählt eine bewusste Einstellung, wie frau/man Macht für sich selbst definiert und ausüben möchte.

Außerdem spielen Kenntnisse über die sozialen Unterschiede zwischen Männern und Frauen eine Rolle.

Stellen wir uns folgende Situation vor: Prof. Dr. Petra Stein ist in einem internationalen Forschungszentrum für Virusforschung als Juniorprofessorin beschäftigt. Sie brachte hohe Fördersummen ein, veröffentlichte zahlreiche Publikationen und gehört einer renommierten Forschungsgruppe an. Dennoch findet sie in der Gruppe von männlichen Professoren an ihrem Institut keine Anerkennung. Sie wird auf wichtige Meetings für die Beantragung neuer Forschungsgelder nicht eingeladen. Dr. Stein ist frustriert und verunsichert.

Raus aus der Ohnmacht

Eine mikropolitische Analyse zeigt, dass Frau Prof. Dr. Stein bisher primär auf Fleiß und Leistung setzte, um ihre Karriere voranzubringen. Offensichtlich werden ihre Erfolge von den männlichen Kollegen am Institut nicht wahrgenommen und sie berücksichtigt geschlechtsspezifische Kommunikationsregeln zu wenig.

Ein männlicher Mentor sorgte dafür, dass sie einmal an einem wichtigen Treffen teilnehmen konnte — über die Sekretärin des leitenden Professors. Beim Meeting wurde sie gefragt, welchen Professor sie vertrete. Auf Redebeiträge von ihr wurde nicht eingegangen. Trugen andere Professor aus der Runde ähnliche Ideen vor, erhielten sie positive Resonanz.

Über die eigenen Erfolge sprechen und Netzwerke knüpfen

Um am Forschungszentrum weiterzukommen, braucht es eine bewusste Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen und -spielregeln. Nur wenn Prof. Dr. Stein erkennt, wie wichtig es ist, über die eigenen Erfolge zu sprechen, kann sie die verinnerlichte Perfektion- und Leistungsstrategie zurückfahren und auf Selbstdarstellung als mikropolitische Strategie setzen.

Prof. Dr. Stein wird geraten, informelle Netzwerke mit Professor*innen zu knüpfen, die für ihre Karriere relevant sind – auch mit Professoren aus der oben beschriebenen Gruppe. Dazu zählt, dass sie mit dem Leiter der Gruppe Kontakt aufnimmt und um einen Lunch-Termin bittet. Hier kann Prof. Dr. Stein zum Ausdruck bringen, dass sie mitwirken will und auf ihre entsprechende Expertise verweisen.

Sich Gehör verschaffen

Frau Prof. Dr. Stein ist die einzige Frau in der männlichen Professoren-Gruppe. Sie benötigt gendersensibles Wissen, um ihren Handlungsspielraum zu vergrößern. Nur wenn sie die geschlechtsspezifischen Kommunikationsregeln (unter Männern) versteht, kann sie in der Gruppe auch Gehör finden.

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