Zukunft für den Acker? Die Lösungen der Kleinbauern
Weltweit sind 1,5 Milliarden Kleinbauern abhängig von Erträgen aus der Landwirtschaft.
20. Februar 2017
Ein Beitrag von Sarah Bidoli
Ich bin Talentpatin. Ehrenamtlich. Dabei geht es nicht um singen oder vortanzen. Ich treffe mich einmal die Woche mit meinem Patenkind aus Neukölln. Die zwölfjährige Mina und ich, eine Wahlberlinerin und Neumama, gehen ins Museum oder ins Kino, backen oder basteln. Meistens spazieren wir aber einfach nur durch den Park, erledigen die Hausaufgaben für den nächsten Schultag – und tauschen uns aus.
Mina und ich haben uns vergangenes Jahr auf einem Spielenachmittag des Patenschaftsprojektes „Neuköllner Talente“ kennengelernt. Das Projekt der Bürgerstiftung Neukölln hat sich zum Ziel gesetzt, die Talente von Neuköllner Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, im Grundschulalter zu fördern. Jedes Kind, das sich für das Projekt anmeldet, bekommt einen Paten oder eine Patin zur Seite gestellt. In regelmäßigen Treffen werden die Kinder an verschiedenste Aktivitäten herangeführt, um herauszufinden, was ihnen liegt und Freude bereitet. Das Gleiche gilt für die Pat*innen: Sie sollen den Kindern nicht nur die eine oder andere Aktivität vorschlagen, sondern selbst Neues entdecken – über sich, über Kinder oder einfach darüber, was bei den Kids gerade „in“ ist.
Das Projekt sollte für mich eine neue Herausforderung sein. In Senior*innen- und Erwachsenenprojekten hatte ich mich schon engagiert, aber mit Kindern zu arbeiten würde etwas Neues sein. In meinem Kopf schwirrte die Idee einer Bilderbuchfreundschaft zwischen Kind und Erwachsenem, eine Art kleine Schwester oder Bruder, die ich beim Erwachsenwerden unterstützen könnte. Das Kind erlernt tolle neue Fähigkeiten und nimmt den Erwachsenen als großes Vorbild an. Der Pate oder die Patin bekommt im Gegenzug, vielleicht etwas romantisiert, kindliche Gelassenheit und Begeisterungsfähigkeit zurück. Bei einigen Tandems mag das auch der Fall sein, meine Erfahrung ist eine andere.
Es geht eigentlich gar nicht darum, schlummernde Talente zu entdecken und zu aktivieren, wie es der Titel „Talentpatin“ suggeriert, sondern in erster Linie darum, sich aus der eigenen Filterblase zu trauen. Und das gilt für beide Parteien: für Mina und für mich. Das Kind schaut zu niemanden auf und der*die Erwachsene muss nicht zwingend eine neue Fähigkeit erlernen. Beide tauchen einfach in andere Lebenswelt ein, ohne einen Lerneffekt zu forcieren. Bei unseren Museumsbesuchen, Bastelstunden und Spaziergängen haben wir beide keine Talente entdeckt oder entwickelt, aber unsere Treffen haben mich in ihrer Schlichtheit zum Grübeln gebracht. Mir ist Folgendes aufgefallen:
Kinder sind ein aktiver Bestandteil dieser Gesellschaft. Das klingt offensichtlich? Mir persönlich war nicht klar, in welchem Maße Kinder über komplizierte Themen reflektieren. Wie Kinder die Welt sehen, versteht man am besten, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Dieses Patenschaftsprojekt hat mich daran erinnert, mehr Verständnis für andere Altersgruppen zu haben und in meinem Alltag auch mehr an andere Altersgruppen zu denken.
Das gilt ebenfalls für die kulturellen Unterschiede. Um mehr Verständnis für meine*n Nachbar*in zu entwickeln, ist Austausch wichtig. Auch diese Aussage klingt banal und selbstverständlich, aber wer kennt in einer Großstadt noch seine Nachbar*innen? Es gilt also: Raus aus den komfortablen eigenen vier Wänden und rein ins bunte Leben. Mehr Mut und Interesse für radikal unterschiedliche Lebenswelten stellt uns selbst in Frage, fühlt sich unkomfortabel an und eröffnet gleichzeitig neue Perspektiven.
Was mir bei den „Neuköllner Talenten“ besonders bewusst geworden ist, ist nicht die Tatsache, dass man die eigenen interkulturellen und intergenerationellen Fähigkeiten ausbauen sollte, sondern dass ein Austausch auch fundamental für eine gut funktionierende, inklusive Gesellschaft ist.
Demokratie kann nur gestärkt werden, wenn wir ein Verständnis dafür entwickeln, welche Gestaltungsmöglichkeiten wir als Individuum in unserer Gesellschaft haben. Fragen wie „Wie kann ich mich in meiner Gesellschaft einbringen?“, „Welche Entscheidungen darf ich als Bürger*in treffen?“ oder „Welche Möglichkeiten stehen mir überhaupt zur Verfügung?“ sind der Kern einer funktionierenden Gesellschaft. Erst wenn ich mir diese Fragen stelle, kann ich als aktiver Teil der Gesellschaft gelten: Optionen kennen und abwägen, Entscheidungen treffen oder sich für eine Sache einbringen sind wichtige Eigenschaften eines*r mündigen Bürgers*Bürgerin und einer Gesellschaft, in der alle mitmachen.
Ehrenamtliches Engagement bringt Menschen zusammen und leistet wichtige Arbeit, eine Grundvoraussetzung einer demokratischen, inklusiven Gesellschaft.
Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ein „Hoch“ auf mein Patenkind aussprechen. Vielen Dank, dass du mir deine Welt zeigst und mir Neues beibringst. Dieses Projekt war nicht nur der Anlass, mir über unsere Gesellschaft Fragen zu stellen, sondern ist noch immer der Treffpunkt einer neuen, tollen Freundschaft.