Fehlende Vielfalt schadet der Demokratie
Aminata Touré, seit 2019 Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages, findet klare Worte im politischen Kampf gegen Rassismus.
3. August 2017
Ein Beitrag von Sarah Weiß
Auf der Suche nach neuen Ansätzen für gesellschaftliche Partizipation führt uns die Reise auch nach Peking. Dort erfreut sich ein neues Format wachsender Beliebtheit, das Ungezwungenheit abends an der Bar mit intellektuellen Fragestellungen paart und inhaltlichen Austausch zwischen jungen Chines*innen und Ausländer*innen fördert. Um mehr über dieses neue Format namens „ThinkIn China“ (TIC) zu erfahren, sprachen wir Bulat Nurmukhanov, Student der Internationalen Beziehungen an der Renmin Universität in Peking und Projektverantwortlicher bei TIC.
ad hoc: Was ist „ThinkIn China“?
Nurmukhanov: TIC wurde 2010 von einer Gruppe junger Wissenschaftler*innen in einem beliebten Café Pekings als informelle Plattform außerhalb der Universitäten gegründet, auf der sich chinesische und ausländische Akademiker*innen jeden Alters Ideen austauschen können. Um diese Plattform formte sich durch monatliche Diskussionsabende mit bekannten chinesischen Intellektuellen eine rege Gemeinschaft. Unsere Events helfen vor allem jungen Akademiker*innen, leichteren Zugang zur Wissenschaftsszene Pekings zu finden. TIC kann als ein Raum gesehen werden, in dem sich Leute treffen und Ideen entfalten. Es ist ein junges, hochinteressiertes Netzwerk, das an Wissen durch direkte Erfahrung glaubt. Eine Gemeinschaft, die über China nachdenken will – aus China heraus.
ad hoc: Was ist besonders am TIC-Format und wie unterscheidet sich TIC von anderen Initiativen?
Nurmukhanov: TIC veranstaltet Events im Bridge Café im Wudaokou District, dem akademischen Herzen Pekings, in dem sich die bekannten Unis der Stadt befinden. Uns zeichnet aus, dass wir unabhängig von formellen Regeln sind, die Universitäten zum Beispiel bei der Wahl der Redner*innen oder Themen auferlegen. Wir bringen wissenschaftliche Themen mit Spaß zusammen und gewinnen so auch Teilnehmende, die sich sonst nicht mit modernen Chinawissenschaften beschäftigen. Wir interagieren viel mit dem Publikum und die Events können im Netz verfolgt werden. Gerne nutzen wir auch neue Medien wie WeChat Live, was den Teilnehmer*innen ermöglicht, sich aktiv in die Debatte einzubringen, Kommentare beizusteuern oder Links zu teilen, sodass die Diskussion auch nach dem Event weitergeht. Die Diskussion klingt entspannt bei Bier und Pizza aus, was wir mit Unterstützung unserer Partnerinstitutionen [wie dem Torino World Affairs Institute, China Center Tübingen, Karl Schlecht Foundation/Redaktion] und zusätzlicher Fördernder kostenlos anbieten können.
ad hoc: Wie bist du bei TIC gelandet und was ist deine Rolle dort?
Nurmukhanov: Ich wurde 2014 von einem Freund eingeladen, der schon Mitglied war, und erkannte nach dem ersten Event schnell, wie einzigartig dieses Format ist und dass ich Teil dieser Gemeinschaft sein möchte. Nach meinem Beitritt war ich als Associate zunächst dafür zuständig, TIC-Abende zu bewerben und potentielle Redner*innen ausfindig zu machen. Vergangenes Jahr wurde ich dann Projektverantwortlicher, wodurch ich nun das Team leite und für Teambuilding, interne und externe Angelegenheiten, die strategische Planung und die Entwicklung neuer Partnerschaften zuständig bin.
ad hoc: Wie funktioniert TIC? Also wer nimmt an den Diskussionen teil, welche Sprache wird verwendet und wie werden Redner*innen und Themen ausgewählt?
Nurmukhanov: Die monatlich stattfindenden Veranstaltungen beginnen jeweils um 19 Uhr. Erst sprechen die Redner*innen für 45 Minuten, anschließend gibt es eine 30-minütige Fragerunde. Danach geht es zum informellen Teil und der Open-End-After-Party. Normalerweise kommen rund 150 Interessierte zwischen 20 und 28 Jahren: Studierende, junge Wissenschaftler*innen und Diplomat*innen, von denen gut 80 Prozent aus Westeuropa, den USA und Australien kommen. Wir sprechen Englisch, um auch ausländischen Teilnehmenden, die kein Mandarin verstehen, die Chance zu geben etwas über China aus der chinesischen Perspektive zu lernen. Manchmal haben wir auch chinesische Redner*innen, deren Englisch nicht so gut ist. Dann organisieren wir Übersetzer*innen, sodass TIC wirklich eine Brücke zwischen dem Westen und China sein kann. Außerdem haben wir angefangen, mehr auf Chines*innen und auch Leute aus anderen asiatischen Ländern zuzugehen. Die Themen werden nach Relevanz ausgewählt. Wenn es zum Beispiel ein Ereignis wie das Brexit-Referendum gibt, machen wir etwas dazu. Kürzlich hatten wir den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi zu Gast, der auch live von Caixin Global interviewt wurde, dem chinesischen Pendant der Financial Times.
ad hoc: Gab es vor TIC ähnliche Formate in Peking und gibt es Imitatoren oder Ableger in anderen Städten?
Nurmukhanov: In Hangzhou und Chengdu hat TIC je ein Event organisiert. Es läuft alles auf die Frage der Finanzierung hinaus, wenn wir Events in anderen Städten organisieren wollen. Offen gesagt: Es gibt mehr Möglichkeiten in Peking und es ist auch außerhalb deutlich schwieriger Redner*innen zu finden, die gut Englisch sprechen. Daher ist es kompliziert das TIC-Format in kleinere Städte zu übertragen. Ich schätze, das wird noch mindestens fünf Jahre dauern. Vor uns gab es dieses Format noch nicht und von den wenigen Ansätzen, unsere Idee zu replizieren, war bisher noch keiner wirklich nachhaltig. Unsere Stärke ist, dass wir unsere Events kostenlos anbieten und auf verpflichtende Anmeldungen verzichten, was uns sehr flexibel und zugänglich macht.
ad hoc: Lieber Bulat, wir danken dir für das Gespräch.