Cui Bono, Clanland, Wild Wild Web, Sicherheitshalber
Die aktuelle Top-Podcast-Liste von Marie Schröter.
14. Juni 2015
Ein Beitrag von Janina Grabs
In der medialen Klimadebatte wird Fleischkonsum oft als eine der größten Klimasünden dargestellt. Auf der Agenda der COP21 sucht man jedoch vergeblich nach diesem Diskussionspunkt. Beide Extreme, Brandmarken und Totschweigen, sind vergebene Chancen, uns konstruktiv mit dem Brennpunkt Klima und Fleisch auseinander- zusetzen. Das können wir uns nicht leisten, denn ohne Innovationen im Fleischsektor werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen.
1,5 Milliarden Kühe, 1 Milliarde Schweine, 2 Milliarden Ziegen und Schafe und 21 Milliarden Hühner teilen sich mit uns die Erde. Diese verursachen 18 Prozent der weltweiten Treibhaus- gasemissionen – mehr als die Emissionen aller Transportmittel. Neben CO2 sind vor allem die Mengen an produziertem Methan und Lachgas ein Problem, die noch größeres Erderwärmungspotenzial haben. Diese Substanzen entstehen bei den Verdauungsprozessen von Kühen und durch die exzessive Gülleproduktion bei der Massentierhaltung. 80 Prozent der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes dient dazu, Futtermittel anzubauen oder Weideflächen auszuweiten. Dies zerstört den wichtigsten Kohlenstoffspeicher unseres Planeten. Die Veränderung unserer Essgewohnheiten, insbesondere der Wunsch nach mehr Fleischkost in Schwellenländern, wird die weltweiten Agrartreibhausgase bis 2050 voraussichtlich um zusätzliche 80 Prozent ansteigen lassen. Damit ist klar: Wir müssen den globalen Fleischhunger ressourcenschonender und klimafreundlicher stillen lernen.
Werfen wir einen Blick auf das Preisschild: Der Ökonom Nathan Fiala hat berechnet, dass die Fleischindustrie derzeit jährlich 140 Milliarden US-Dollar an Klimakosten verursacht, die nicht in den Endpreis einfließen. Nachhaltige Fleischproduktion muss alle Kosten miteinbeziehen – auch die von Wasser, Dünger, Land, Futtermittel, und Abfallentsorgung, die momentan unter den Tisch fallen. Dazu kommt, dass viele Länder Viehzucht oder Futtermittel subventionieren und damit die realen Produktionskosten verschleiern. Schweden debattiert daher, eine CO2- Steuer auf Fleisch einzuführen, um so die externalisierten Kosten auszugleichen. In Neuseeland, wo Subventionen 1984 abgeschafft wurden, fand ein Wandel zu ressourceneffizienten Methoden statt. Statt Kraftfutter fressen die Wiederkäuer ausschließlich Gras.
Experten in Europa warnen allerdings, dass eine Absetzung der Subventionen ohne gleichzeitige Einführung von Umweltabgaben die industriellen, kosteneffizienten Produzenten bevorzugen und kleinere Mischbetriebe aus dem Markt treiben könnten. Doch wie diese Umweltkosten in der Praxis berechnet und auf verschiedene Produktionssysteme verteilt werden sollen und welche Produktionsweise die klimafreundlichste ist – da scheiden sich die Geister.
Agrarökologen setzen auf die Vorzüge natürlicher Kreisläufe. Ihr Argument: Die dargestellten Probleme sind Symptome eines extrem ineffizienten Produktionssystems. Im derzeit vorherrschenden linearen System behandeln wir Tiere wie industrielle Produktionsmittel, die mit Inputs – sprich Kraftfutter – versorgt und deren Outputs – die Exkremente – wiederum mühselig entsorgt werden müssen. Dieser Ansatz erzeugt viele der genannten Klimakiller wie die Regenwaldrodung oder exzessive Gülleproduktion.
Schließt man dagegen den Nährstoffkreis und bettet Tiere in Mischbetriebe ein, die Viehzucht und Pflanzenproduktion kombinieren, können optimale Symbiosen entstehen. In den USA integriert der Agrar-Pionier Joel Salatin auf seiner Farm Hühner, Schweine, Rinder und Hasen in ein ausgeklügeltes System: Erst weiden die Rinder und düngen mit ihrem Mist die Felder; dann kommen die Hühner in mobilen Ställen an die Reihe, die Stück für Stück Boden umwühlen. Dies bereitet das Land auf den nächsten Anbauzyklus vor. Die Schweine schließlich graben den Kompost um. Somit braucht Salatin weder importiertes Soja- und Maisfutter noch Kunstdünger oder Gülle; der Bauernhof pro- duziert das Tierfutter und absorbiert alle Abfälle optimal selber.
Gegner von Misch- und Weidebetrieben verweisen auf die relative Ineffizienz. Rinder brauchen 23 Monate im Weidebetrieb gegenüber 15 Monaten in Masthaltung, um ihr Schlachtgewicht zu erlangen. Die zusätzliche Methanproduktion, so das Argument, negiere alle positiven Umweltauswirkungen. Aus ihrer Sicht sei eine „nachhaltige Intensivierung“ der richtige Lösungsansatz, auch um die notwendigen Fleischmassen in der Zukunft sicherzustellen. Die Definition dieses Begriffs ist allerdings umstritten.
Nicht weniger kontrovers ist der Ansatz des Biologen Allan Savory aus Simbabwe, der Graslandschaften als Kohlestoffspeicher gewinnen will – durch mehr Viehhaltung. Indem eine große Anzahl von Tieren auf einer kleinen Weidefläche gehalten und regelmäßig umgesetzt werde, könne die Vegetation besser angeregt und das CO2-Absorptionspotenzial der Landfläche erhöht werden. Somit könne laut Savory eine intensivere Fleischproduktion den Klimawandel sogar umkehren. Trotz vereinzelter Erfolgsgeschichten gibt es allerdings kaum wissenschaftliche Studien, die eine verlässliche Wirkung bestätigen.
Insbesondere Konsumenten können durch ihre Entscheidungen einen Beitrag leisten. Aus der Klimaperspektive ist weniger Fleischkonsum eine naheliegende Alternative. Für einen globalen Wandel bedarf es allerdings politischer Beschlüsse, um die Fleischproduktion neben der medialen auch auf die politische Agenda zu setzen. Bei den internationalen Klimaverhandlungen sollte es deswegen auch um die Wurst gehen.