8. Mai 2014

Gekommen um nicht zu bleiben

Eigentlich wollte ich bereits meine Koffer wieder packen. Denn in einer Woche ist meine Stage in Bamako vorbei. Dabei fühlt sich der morgendliche Fußweg zur Botschaft, die Schleuse am Eingang, alles noch so an als ob ich gestern erst angekommen wäre. Und irgendwo bin ich das ja auch. Zwei, drei Monate sind einfach keine Zeit.

Aber in Mali sind sie für viele sogar die Regelzeit des Aufenthalts. Wer bleibt hier schon wirklich lange? Ob in den Botschaften oder multilateralen Missionen – viele sind hier nur für kurze Zeit. Die längsten für 3 Jahre, viele für 1 Jahr und bei den militärischen Missionen in der Regel nicht länger als 3-4 Monate. In jedem Gespräch geht es relativ schnell um zwei Fragen: wie lange bist Du schon hier und wie lange wirst Du noch bleiben?

Die Institutionen versuchen konti-nuierliche Arbeit zu leisten mit ständig rotierendem Personal. Viel-leicht ist das die Erfahrung, die mir am deutlichsten vor Augen geführt hat, dass ich mich in einem Krisen-gebiet befinde. Das und die end-losen Mengen an HESCO Schutz-wällen und Straßensperren. Denn von Putsch und Krieg ist in Bamako nichts zu spüren. Die Leute er-zählen, dass das zur Hochzeit des Konflikts nicht viel anders war. Die Anschläge mit Improvised Explosive Devices finden heute weit weg im Norden statt. Aber dennoch ver-schwindet die französische Bot-schaft hinter einer mehrstufigen HESCO Barriere und mein täglicher Weg zur Arbeit führt mich im Slalom vorbei an diesen wunderschönen Sandblöcken. Denn in unserem Wohngebiet war früher AFISMA, die Vorgängermission der Afrikanischen Union von MINUSMA, untergebracht. Dort wo die Säcke aufgerissen sind, wirken sie wie riesige Sanduhren.

Die Zeit läuft anders in Mali. Am ersten Tag wurde mir erklärt, man müsse seine Schrittgeschwindigkeit dem lokalen Tempo anpassen und bei täglich 40 Grad und non-stop Sonne ist das wirklich angebracht. Darüber hinaus sind Zeitangaben häufig eher eine Schätzung als eine verbindliche Aussage. Auch MINUSMA scheint sich das zu Herzen zu nehmen und lässt sich mit dem Aufbau der Mission dementsprechend noch etwas Zeit, man will sich ja den kulturellen Gegebenheiten anpassen. Die Straßen, so sie denn asphaltiert sind, strotzen nur so vor Schlaglöchern, die alle paar Wochen mit Sand und Geröll aufgefüllt sind, bis wenige Tage später wieder alles beim alten ist.

Die Akteure leben hier in so vielen unterschiedlichen Zeitdimensionen, die sich aber alle gegenseitig bedingen. Nationalstaatliche Akteure haben ihre jährlichen Budgetzyklen und je nach Ministerium, je nach Projektart unterschiedlich lange Programmlaufzeiten und Evaluierungsetappen. EUTM Mali, MINUSMA und die im Aufbau befindliche EUCAP Mission haben ihre Mandatszeiträume als Mission, sowie die Mandatszeiträume ihrer nationalen Kontingente und deren Rotationsabläufe. Die Projektfinanzierung läuft über nationale und multilaterale Fonds und Geberstrukturen, die wiederum andere Zeitabläufe haben. Und dabei hat man die malische Seite und ihre politischen und budgetären Prozesse noch nicht einmal in den Blick genommen.

Und über allem schwebt die Frage wie lange Mali überhaupt noch im Fokus der bi- und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit und des sicherheitspolitischen Engagements der internationalen Gemeinschaft stehen wird. In der internationalen Wahrnehmung scheint die eigentliche Krise vorbei zu sein, das Schlimmste wurde bereits verhindert. Die Ereignisse im Norden werden international kaum noch registriert und der Prozess, der jetzt läuft, erweist sich als langwierig und zäh. Im Versöhnungs- und Friedensprozess wird es wohl erst mal keine einfachen und schnellen Erfolge geben. Da sind für die Öffentlichkeit und den politischen Betrieb zuhause andere Krisen doch akuter und relevanter. Mal ganz abgesehen von der Ukraine, drängen sich die Zentralafrikanische Republik und Syrien mehr auf die internationale Agenda als die Frage, welche Mittel nötig wären, damit MINUSMA endlich adäquat ausgestattet ist und befähigt wird ihr Mandat zu erfüllen. Oder wie man ernsthaft Druck auf die malischen Akteure ausüben könnte, den Vertrag von Ougadougou, der den Weg zu einem umfassenden Friedensvertrag weist, ernsthaft umzusetzen.

Und während der malische Kapazitätsaufbau, die Versöhnung mit dem Norden, die internationalen Bemühungen voran schreiten, überlege ich wann ich meine beiden Koffer packen sollte und komme zur Erkenntnis, dass ich die Hälfte meiner Sachen nie hätte auspacken brauchen.