31. März 2021

„Geld hat immer eine Wirkung, auch auf dem Bankkonto“

31.03.2021 — Zürich, Schweiz

Mit Impact Investing soll Geld die Wirkung bekommen, die Du ihm geben willst. Dir dabei zu helfen, das bietet unter anderen das Startup Yova aus der Schweiz an. Ich habe mit Tillmann Lang, einem der Gründer, gesprochen.

Nicola Blum: Tillmann, wieso machst du, was du machst?

Tillmann Lang: Weil ich glaube, dass die Finanzindustrie eine riesengrosse Rolle spielt, um uns für die Zukunft gut aufzustellen. Zurzeit spielt sie diese Rolle nicht gut.

Blum: Tillmann, hasst du Bargeld?

Lang: Nein, überhaupt nicht. Selbst nutze ich es jedoch möglichst wenig. Dass Yova ein digitales Modell hat, ist kein Statement gegen Bargeld sondern eines für schöne, digitale Lösungen.

Impact Investing ist nicht gleich Impact Investing

Blum: Nebst Impact Investing gibt noch andere Begriffe, die in der Finanzwelt für Ähnliches verwendet werden, zum Beispiel «ESG-Kriterien».

Lang: ESG ist ein Überbegriff für alles, was mit Environmental, Social und Governance-Kriterien zu tun hat. Aber es gibt nicht die ESG-Kriterien. Manche haben genau ein Umweltkriterium und andere, die haben nur ein soziales Kriterium. Eine grosse Schweizer Bank hatte einen ESG-Fonds, dessen Kriterium war, dass 1 Prozent des Umsatzes für Corporate Social Responsibility investiert werden muss. Die Nummer Eins Holding in diesem Fonds war Alibaba. Warum? Weil Alibaba Kunstprojekte in China fördert. Das ist schön und gut, aber ein grosser Teil ihres Umsatzes resultiert einfach darin, dass Wegwerfware durch die Welt geschifft wird.

Blum: Wie stellt ihr sicher, dass das bei Yova nicht passiert?

Lang: Wir analysieren eine ganze Reihe an Nachhaltigkeitsdimensionen, die reichen von erneuerbaren Energien zu Biodiversität oder Geschlechtergleichheit. Entlang dieser Dimensionen bewerten wir einzelne Unternehmen, und schätzen ein, ob sie eine Verschlechterung oder eine Verbesserung bewirken. Dabei unterscheiden wir nach Fuss- und Handabdruck.

Der Fussabdruck betrachtet Wirkungen wie CO2-Ausstoss während der Produktion. Der Handabdruck wiederum beinhaltet die Wirkung von Produkten und Dienstleistungen, wenn sie im realen Leben genutzt werden. Bei vielen Produkten ist der Handabdruck entscheidend. Doch gerade dieser wird oft gar nicht in Nachhaltigkeitsanalysen berücksichtigt.

Der Unterschied wird am Beispiel zweier Turbinen deutlich. Diese können mit demselben Fussabdruck hergestellt worden sein, das heisst es wurden beispielsweise gleich viel CO2-Emissionen verursacht in der Herstellung. Doch wenn die eine Turbine als Gasturbine und die andere als Windturbine eingesetzt wird, hat die letztere den kleineren Handabdruck. Der Fussabdruck ist ein Blick in die Vergangenheit und der Handabdruck schaut in die Zukunft.

Blum: Und was unterscheidet euch von Nachhaltigkeitsfonds?

Lang: Vieles. Zum Beispiel, dass wir den Handabdruck anschauen. Denn in vielen ESG-Fonds, selbst in sehr namhaften, wird er nicht berücksichtigt. Da kann es dann sein, dass ein Flughafenbetreiber das grünste Unternehmen ist, weil es fast keine Emissionen hat. Doch das macht natürlich überhaupt keinen Sinn, weil deren Geschäft korreliert mit den CO2-Emissionen der Fluggesellschaften.

Der zweite grosse Unterschied ist, dass wir echte Wirkung bieten. Unsere Anleger werden selbst Mitbesitzer ihrer Anlagefirmen und können diese beeinflussen. Und: Bei uns sind alle Anlagen personalisiert, jedes Portfolio ist auf die jeweilige Anlegerin zugeschnitten. Das geht nur, weil wir stärker automatisieren und viel datenbasierter arbeiten als andere.

Blum: Gibt es Firmen, die ihr per se aus euren Portfolios ausschliesst, beispielsweise Rüstungskonzerne?

Lang: Ja. Persönlich finde ich zwar wichtiger, was man reinnimmt als rauslässt, aber ja, klassische Rüstungskonzerne schliessen wir beispielsweise aus. Bei uns sind das alle Konzerne, die einen grossen Teil ihres Umsatzes mit dem Verkauf von Waffen machen. Aber Du wirst vielleicht Firmen haben, die eine Software zur Steuerung von Drohnen macht und die nebst anderem auch für militärische Drohnen einsetzbar ist. Als Kunde hast Du aber die Möglichkeit, auch diese auszuschliessen. Doch tust Du das, schliesst Du einen sehr grossen Teil der Firmen aus. Denn selbst Microsoft hat irgendwo noch ein Produkt, das bei der Steuerungssoftware der Drohne XYZ zum Einsatz kommt und ist damit Rüstungszulieferer.

Nachhaltigkeit ist kein Risikofaktor beim Investieren

Blum: Kann Nachhaltigkeit auch ein Risiko sein in der Geldanlage? Zum Beispiel, weil es zu wenige nachhaltige Unternehmen gibt, in die ihr investieren könnt? Ein Blogger der Schweizer Tageszeitung Tagesanzeiger schreibt, er würde bei euch nur Geld investieren, das er ganz entbehren kann. Damit spielt er auf das Risiko an, alles zu verlieren. Er begründet dies mit Eurem – aus seiner Sicht – zu wenig diversifizierten Portfolio.

Lang: Das ist einfach Quatsch. Unser Ansatz folgt der modernen Portfoliotheorie der Finanzforschung. Die Wissenschaft zeigt, dass der Grenznutzen von Diversifikation bei der Investition in Aktien bei 16-17 Aktien asymptotisch wird, das heisst die achtzehnte Aktie bringt schon nur noch wenig Zusatznutzen bezüglich Diversifikation. Und bei unseren Portfolios sind es in der Regel zwischen 35 und 40 Aktien. Unsere Portfolios sind also von der messbaren Diversifikation genauso gut aufgestellt wie ein Portfolio mit 350 oder 3’500 Aktien. Es sind einfach weniger, aber das heisst nicht, dass wir schlechter diversifiziert sind.

Blum: Seid ihr auch gleich gut über Regionen, Branchen, Unternehmensgrössen und Ähnliches diversifiziert wie herkömmliche Aktienportfolios?

Lang: Ja. Wir machen, was man im Finanzjargon eine Faktorreplikation nennt. Das heisst, wir versuchen, dass unsere Portfolios die gleichen Diversifikationskennzahlen haben, wie der Gesamtmarkt. Theoretisch schafft man das schon mit 20 Aktien, wir machen es mit 40.

Welche Wirkung hat unser Geld? Bild: Ghazaal Hosseini.

Corona beflügelte nachhaltige Geldanlagen

Blum: Lass uns einen Blick auf die Entwicklung des Finanzmarkts werfen. Krisen spiegeln sich im Finanzmarkt, heisst es. Die Corona-Pandemie soll jedoch zur Überperformance nachhaltiger Anlagen geführt haben…

Lang: Ganz klar. Ich weiss nicht, ob es dazu bereits empirische Studien gibt, aber ich beobachtete, dass nachhaltig ausgerichtete Geldanlagen überdurchschnittlich gut abgeschnitten haben. Für Yova galt das auf jeden Fall.

Blum: … doch es gibt gleichzeitig Stimmen in der Finanzwelt, die vor einer Depression warnen und auf die US-Notenbank hinweisen, die grosszügig Geld druckt, auf Aktien wie Tesla, die in die Höhe schnellen, oder auf den stark steigenden Bitcoinkurs. Was wird passieren?

Lang: Ich habe keine Prognose, das ist dünnes Eis. Ich sehe die Argumente, die Du aufzählst, doch diese oder ähnliche Argumente gibt es halt auch schon ewig. Es gab in den letzten Jahren die Finanzkrise, die Griechenlandkrise, die Eurokrise, dann die Flüchtlingskrise und jedes Mal gab es Stimmen die sagten, jetzt sei alles vorbei.

Aber der Punkt ist, wenn Du damals nicht investiert hast, dann hast Du seither eine massive Menge Geld verloren. Darum ist die einzige Prognose, die ich mache: wer nicht investiert, der wird langfristig verlieren.

Blum: Wann hast du denn das allererste Mal selbst in den Aktienmarkt investiert?

Lang:  Als ich mit 25 meinen ersten Vollzeitjob hatte.

Blum: Wer hat dir den Unterschied zwischen Geld verbrauchen und Geld vermehren gelehrt?

Lang: (Pause) Ich weiss nicht, ob mir das jemals jemand erklärt hat. Sparsamkeit habe ich von meinem Vater gelernt, aber ich habe diese Philosophie gar nicht so sehr übernommen. Ich bin viel Risiko-affiner als er und bin viel eher bereit, Geld auszugeben als es um Himmels Willen beisammen zu halten.

Blum: Wieviel deines Vermögens in Prozent hast du bei Yova angelegt?

Lang: 93-94 Prozent. Der eine Teil ist in Yova-Aktien und der andere in Yova-Portfolios.

Blum: Wenn du nur den Portfolio-Teil anschaust, wieviel ist es dann?

Lang: Wahrscheinlich um die 60 Prozent, würde ich schätzen.

Investieren ist Männersache, bei den meisten

Blum: Wer sind Yovas Kunden?

Lang: Unsere Zielgruppe sind Menschen, die für die globalen Probleme unserer Zeit sensibel sind. Und sie wollen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen, sie wollen sich nicht länger über den Tisch ziehen lassen von den Banken. Transparenz und Glaubwürdigkeit bei der Nachhaltigkeit ist unseren Kunden wichtig.

Blum: Sind es eher jüngere Leute?

Lang: Es kommt drauf an, mit wem du sprichst. Aus Sicht der Finanzbranche sind es eher jüngere Leute. Unser Durchschnittskunde ist 35 Jahre alt und damit sehr jung für die Finanzindustrie.

Blum: Du sprichst von Kunden, wie steht es um die Frau als Kundin?

Lang: Frauen sind ein wichtiger Teil unserer Kundenbasis, knapp 40 Prozent. Und das ist extrem viel. Bei anderen digitalen Vermögensverwaltern sind es 6-8 Prozent. Die Säule 3a (freiwillige Altersvorsorge in der Schweiz) ist noch die Ausnahme, aber beim klassischen Investieren ist der Frauenanteil tief.

Blum: Wieso seid ihr so beliebt bei Frauen?

Lang: Die ganzen klassischen Finanzlösungen sind von Männern für Männer gemacht. Wir positionieren uns anders, in der Art und Weise wie wir sprechen, und auch, weil wir aufzeigen, was das Thema Finanzen mit Deinem Leben zu tun hat, was es mit Werten zu tun hat, was es mit der Gesellschaft zu tun hat. Wir glauben, dass diese Themen und diese Art, zu denken, nicht nur, aber gerade auch viele Frauen anspricht.

Tillmann Lang, Mitgründer von Yova. Copyright: Yova.

Impact-Messung ist eine heisse Kartoffel

Blum: Ihr versprecht, ihr investiert in Firmen, die eine positive Wirkung auf die Welt haben. Wie messt ihr euren Impact?

Lang: Impact habe ich als Investor nur, wenn ich das Unternehmen, in das ich investiere, beeinflusse. Das Unternehmen wiederum hat einen Impact auf die Welt. Von da rückzuschliessen, wieviel nun genau meine Veränderung am Unternehmen sich übersetzt in beispielsweise CO2-Reduktionen, das geht bislang nur durch Schätzungen. Für unsere Kunden bieten wir ein individuelles Reporting direkt in der App an, da siehst du beispielsweise was der CO2-Fussabdruck der Investitionen ist, wieviel Wald deine Investments unterstützen, was dein Genderequality-Fussabdruck ist.

Wenn unsere Kinder gross sind…

Blum: Du hast zwei kleine Söhne. Wie sieht die Finanzwelt aus, wenn sie gross sind, speziell mit Blick auf Nachhaltigkeit?

Lang: Erstmal haben sie beide ihr Yova Portfolio. Sie fangen nicht bei Null an. Ich glaube, es werden ein paar Sachen passieren: Das eine ist, dass Nachhaltigkeit der Standard wird. Es wird keine nicht nachhaltigen Investments mehr geben.

Das zweite ist Transparenz. Die Leute werden wissen wollen und werden es auch wissen, was in ihren Portfolios drin ist. Zusätzlich hoffe ich — und das ist nun weniger eine Prognose — dass das Finanzsystem viel besser reguliert sein wird, gar nicht mal stärker, sondern einfach viel besser. Denn das Finanzsystem ist ein Geschwür geworden, dem niemand auf die Finger schaut.

Man sieht das an folgendem Beispiel. Wenn ein neues Energiegesetz verabschiedet wird, dann sind da der WWF, und die Umweltverbände und so weiter mit am Tisch. Das ist gut so. Doch wenn ein neues Finanzmarktgesetz verabschiedet wird, dann sind da nur die Banken mit den Regulatoren am Tisch. Und in welche Richtung argumentieren wohl die Banken? Eine NGO in Deutschland, die dies angehen will ist die «Finanzwende», sie wollen die Greenpeace der Finanzwelt sein und machen meines Erachtens hervorragende Arbeit.

Blum: Was soll ich als Leserin tun, damit sich deine Vision von einem nachhaltigen Finanzmarkt verwirklicht?

Lang: Dir bewusst werden, dass Geld immer eine Wirkung hat. Auch wenn es auf Deinem Bankkonto rumliegt. Dieses Bewusstsein ist genauso wichtig, wie sich der Wirkung des Reisens, der Mobilität, des Essens und so weiter bewusst zu werden. Denn die Wirkung Deines Geldes ist ziemlich gross.

ad hoc international jetzt abonnieren!

Hier diskutieren Fachleute ihre Erfahrung aus der Praxis. Alle drei Monate erscheint ein thematischer Blog zu einer drängenden Frage der internationalen Politik und Zusammenarbeit.