11. September 2015

Globale Verdunkelung: Leben unter der Dunstglocke. Interview mit Klimaforscherin Dr. Beate Liepert

© Beate Liepert

„Global warming“, Erderwärmung, kennen wir schon. Der Grund dafür ist die hohe Konzentration an Treibhausgasen. Was wir an Schadstoffen in den Himmel blasen, sorgt aber nicht nur für eine aufgeheizte Atmosphäre. Der Dreck hängt in der Luft, fast wie der Schmutzschleier auf dem Glas einer Windschutzscheibe. Die Sonnenstrahlen kommen nicht mehr richtig durch – mit massiven Folgen für unser Klima. „Global dimming“ heißt dieses Phänomen. Klimaforscherin Dr. Beate Liepert gehört zu den EntdeckerInnen der sogenannten globalen Verdunkelung. ad hoc international hat mit ihr gesprochen.

ad hoc: Frau Liepert, was ist „global dimming“ und was passiert bei diesem Prozess?
Liepert: „Global dimming“, also globale Verdunkelung, steht ursprünglich für die weltweit beobachtete Abnahme der Sonneneinstrahlung von den 1950er Jahren, dem Beginn der Messungen, bis in die 1980er. In den 1990ern hat die Sonneneinstrahlung übrigens wieder zugenommen. Ein Teil der Abnahme konnte auf natürliche Wetterveränderungen zurückgeführt werden, aber nicht alles. Untersuchungen zeigen, dass zunehmende Luftverschmutzung, zum Beispiel durch Ruß, auch zur Verdunkelung beiträgt. Das geht sowohl direkt, indem Sonnenstrahlung von den braunen Teilchen absorbiert oder von weißen Teilchen reflektiert wird, oder indirekt, indem die Teilchen die Wolkenbildung beeinflussen. Diese Wolken reflektieren dann die Sonnenenergie. In der Diskussion heute ist „global dimming“ zum Synonym für global zunehmende Luftverschmutzung durch diese Aerosolpartikel geworden.

ad hoc: Welche Folgen hat „global dimming“?

Liepert: Wie man sich gut vorstellen kann, bedeutet ein Rückgang der Sonnenstrahlung eine Temperaturminderung, aber natürlich nur tagsüber und nicht in der Nacht. Das heißt, ein Teil des Treibhauseffektes wird unterdrückt: Die Tage werden wärmer, aber nicht so viel wärmer wie die Nächte. Meine Forschung zeigt jedoch, dass die wichtigste Folge mit dem Wasserkreislauf zusammenhängt. Sonnenstrahlung verdunstet Wasser an der Erdoberfläche, was zu Wolken und Niederschlagsbildung führt. Reduzieren wir die Energie für die Verdunstung, reduzieren wir auch den Niederschlag. Ich habe in meiner Arbeit theoretisch gezeigt, dass bei dem heutigen Ausmaß des „global dimming“ tatsächlich die erwartete Niederschlagszunahme durch globale Erwärmung wieder aufgehoben wird, was sogar zu einer globalen Abnahme des Niederschlags führt trotz mehr Feuchte in der Atmosphäre. Geht die Sonneneinstrahlung zurück, hat das zum Beispiel auch zur Folge, dass die Bäume im Norden schlechter wachsen. Das konnte man an der Dichte der Baumringe nachweisen.

ad hoc: Die Politik hat „global warming“ im Visier, „global dimming“ offenbar nicht. Wieso?
Liepert: Es ist technisch deutlich einfacher, den Ausstoß von Aerosolpartikeln oder Schwebstoffen wie Ruß zu reduzieren, um „global dimming“ zu begrenzen – wenn man nicht schummelt, wie VW es mit den Dieselautos getan hat. Das ist ja auch in vielen Ländern seit den 1990er Jahren geschehen. Klimamodelle und auch Untersuchungen zeigen, dass die Reduzierung der Luftverschmutzung zu einer Zunahme der Sonnenstrahlung geführt hat. Das wiederum hat die Erderwärmung verstärkt. Das heißt für die Politik, dass die positiven Initiativen der Luftreinhaltung Initiativen des Klimaschutzes entgegenwirken. Das klingt paradox. Man kann sich nicht auf eines von beiden konzentrieren.

ad hoc: „Global dimming“ muss also auf die Agenda in der Klimadebatte.

Beate Liepert: Genau, Luftverschmutzung muss in der Klimadebatte berücksichtigt werden und man kann dieses Problem in den Griff bekommen. Zyniker behaupten, dass man mit künstlicher Luftverschmutzung die Erderwärmung mindern kann, aber das Klima ist komplizierter. Dann verändert man nämlich den Niederschlag. „Cap and Trade“, also Emissionshandel als Lösungsansatz des Klimaproblems, kann meiner Meinung nach nicht funktionieren. Das wird hier in den USA viel diskutiert, vor allem bei den Liberalen. Es bedeutet, dass man durchaus lokal verschmutzen kann, wenn man anderswo die CO2-Ausstöße verringert. Aber diese Emissionen sind meist gekoppelt an andere Emissionen bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Diese kurzlebigen Gase und Schwebstoffe verursachen Luftverschmutzung und „Verdunkelung“ in der Region, wo sie emittiert werden.

ad hoc: Liebe Frau Liepert, ich danke Ihnen für das Gespräch.