Editorial: In meiner Blase
Die Fronten haben sich verhärtet, auch im Informationskrieg. Wie lassen wir uns auf konträre Standpunkte ein, ohne Kriegstreiberei und Lügen zu verharmlosen?
30. Juli 2022
Ein Beitrag von Gregor Christiansmeyer
30.07.2022 — Sarajevo, Bosnien und Herzegovina
Wie informieren sich nefiat*innen? Die Ergebnisse der Umfrage im Netzwerk.
Das Netzwerk für internationale Aufgaben (nefia) will gemäß seiner Satzung ein Verein sein, der „die Förderung internationaler Gesinnung, insbesondere die Pflege weltweiter Freundschaft und den interkulturellen Austausch“ leistet. Nebensatz: für Akademiker*innen aller Fachrichtungen. Damit gibt es direkt im ersten Auftrag zum Vereinszweck beides — Blasenbildung und -überwindung. Nur Akademiker*innen, dafür aber fächerübergreifend, ausgerichtet auf grenzüberschreitende Kontakte.
Was bedeutet das für die Informationskultur im Netzwerk? Tragen internationale Verflechtungen zu einer Diversifizierung von Quellen bei? Oder schafft sich die Szene ihre eigenen Blasen?
Die ad hoc hat im Netzwerk nachgefragt. Beteiligt an der nicht-repräsentativen Umfrage haben sich nefiat*innen aus allen Jahrgängen des Kollegs.
Der Begriff der Filterblase wurde vom amerikanischen Autor und Aktivisten Eli Pariser geprägt, der damit die algorithmisch gesteuerten Filterfunktionen von Suchmaschinen und sozialen Medien in den Blick nimmt. Im Zentrum steht die personalisierte Information: These ist, dass Nutzende keine Fakten mehr angezeigt bekommen, die ihrer eigenen Meinung widersprechen.
In der Debatte werden neben Algorithmen inzwischen weitere Filtergrenzen behandelt, die auch in der nefia-Umfrage eine Rolle spielen:
Am Willen liegt es nicht — der Anspruch der nefiat*innen, sich vielseitig zu informieren, ist hoch:
Spannend ist nun die Frage, wo das Netzwerk mit abweichenden Meinungen konfrontiert wird. Interessanterweise führen die Teilnehmenden hier primär soziale Medien als Quellen an – im Widerspruch zur These, dass diese Filterblasen nur noch verstärken:
Viele der Teilnehmenden sind sich bewusst, dass sie von unterschiedlichen Filterblasen geprägt sind. In der Umfrage kommen folgende Beispiele zur Sprache, in denen nefiat*innen neuen Informationen begegneten, ihren eigenen Standpunkt hinterfragten und anpassten:
Die andere Reaktion, wenn die Blase platzt, ist Resignation: anerkennen, dass der eigene Standpunkt nicht mehrheitsfähig ist, ohne selbst davon abzuweichen. Dies kommt mehrfach zur Sprache, primär im Kontext der “Klimablase”:
In vielerlei Hinsicht scheint das Netzwerk für internationale Aufgaben eine eigene kleine Blase zu sein — nefiat*innen ähneln einander, auch im Informations- und Medienverhalten. Aber es ist eine Blase, die sich intensiv damit auseinandersetzt, eine zu sein. Daher die herzliche Einladung, weiter an den eigenen blinden Flecken zu arbeiten. Es kann sich lohnen, neue Ideen und Perspektiven inklusive!
Hier diskutieren Fachleute ihre Erfahrung aus der Praxis. Alle drei Monate erscheint ein thematischer Blog zu einer drängenden Frage der internationalen Politik und Zusammenarbeit.