16. November 2011

Im Zentrum der Macht

Washington D.C., das Zentrum der Macht – so sagt man, auch wenn Washington auf den ersten Blick neben New York ein wenig wie der kleinere Bruder erscheint, vergleichbar mit Bonn neben Berlin.

Vom Gegenteil belehrt wird man allerdings an jeder Strassenecke. Schon auf dem täglichen Weg in mein Büro, vorbei an dem Weissen Haus und dem International Währungsfonds, wird mir dies täglich aufs Neue bewusst. Aber ebenso auf dem Rückweg, wenn man bei “Ben’s Chili Bowl” einkehrt, wo nur Bill Cosby und die Familie Obama umsonst essen dürfen. Abgesehen von diesem kulturellen “highlight”, das man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man Chili Hotdog mit cheese fries essen möchte, gibt es noch viele andere kulturelle Eindrücke, die Washington einzigartig erscheinen lassen.

So lohnt sich zum Beispiel ein Besucht der “mall”, die nicht nur vom Capitol und dem Washington Monument eingerahmt wird, sondern auch eine Vielzahl von Museen beheimatet, die für alle Besucher kostenlos zugänglich sind. Jede Menge Vielfalt und Geschichte befindet sich aber auch unmittelbar vor meiner Haustür, wo der so genannte U Street-Korridor anfängt, lange Zeit Heimat einer der größten afro-amerikanischen Gemeinden, der mit der Bürgerrechtsbewegung in enger Verbindung steht und nach der Ermordung von Martin Luther King Epizentrum der 1968er-Unruhen in Washington wurde. Mittlerweile ist die Gegend vor allem für ihre kulturellen und musikalischen Angebote bekannt.

Der kulturellen Vielfalt Washingtons begegne ich nicht nur auf dem Weg zum, sondern auch in meinem Büro in der MENA (“Middle East and North Africa”)-Region der Weltbank. Mein Chef aus Äthiopien, meine Kollegen aus Marocco, Jemen, Frankreich, dem Libanon etc. – passend zu dem Thema meines Projekts, das nahezu jedes Land der Welt betrifft. Mein Projektvorhaben hat das Ziel, eine Option zur Bewältigung des Klimawandels und der weltweit zunehmenden Wasserknappheit aufzuzeigen. Dabei untersuche ich einen potentiellen Lösungsweg, den der Trinkwassergewinnung durch Meerwasserentsalzung mittels Nutzung erneuerbarer Energien. Ansatz meines Projekts ist es, durch klare rechtliche Rahmenbedingungen Investitionen in entsprechende Projekte in Entwicklungsländern zu fördern.

Konkret arbeite ich mit meinen Kollegen bei der Weltbank an einem so genannten “flagship report” zum Thema “Renewable Energy Desalination: An Emerging Solution to Close Middle East and North Africa’s Water Gap”, der auf dem “Second Arab Water Forum” nächste Woche in Kairo vorgestellt wird. Auch wenn Trinkwassergewinnung durch Entsalzungstechnologien als Idee nicht neu ist, so gewinnt die Thematik durch Bevölkerungswachstum, die Ausbeutung natürlicher Wasserresourcen und die Verschlechterung der Situation durch den Klimawandel zunehmend an Bedeutung. Ein Knackpunkt der Technologie ist ihre Energieintensität, die Entsalzung zu einer teuren und ökologisch nicht unproblematischen Form der Trinkwassergewinnung macht, sofern man nicht auf erneuerbare Energien als Energiequelle rekurriert. Aber auch bei Einsatz nachhaltiger Energieformen bleiben Fragen der Wirtschaftlichkeit und umweltbezogene Probleme, wie zum Beispiel der Umgang mit schädlicher Salzlauge (“brine”), bestehen.

Hier setzen mein Projektvorhaben und die Arbeit der Weltbank an. Ziel ist es, Investitionen sowohl von Regierungsseite, als auch von Seiten des Privatsektors in entsprechende Anlagen zu fördern und damit den Teufelskreis aus Wasserknappheit und der Verschlechterung der Situation durch Klimaveränderungen zu durchbrechen. Auch wenn das Ziel einleuchtend ist, so gestaltet sich der Weg dorthin schwieriger. Meine Kernaufgabe betrifft die Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen in unterschiedlichen Ländern in der MENA Region, um die “best practices” zu identifizieren, die nachhaltige Technologieformen bestmöglich förden und zugleich einen Ausgleich finden zwischen der Schaffung ausreichender Umweltstandards und der Vermeidung abschreckender Investitionsbedingungen. Ein Blick auf die Regelwerke hier vor Ort kann da nicht schaden, sind die USA doch eines der Vorreiterländer in diesem Bereich. Neben verschiedenen Recherchetätigkeiten nehme ich auch organisatorische Aufgaben wahr, die unter anderem mit der anstehenden Publikation des Berichts und der Konferenz in Zusammenhang stehen.

Neben der Arbeit bei der Weltbank verbleiben viele spannende weitere Erlebnisse. Auch wenn Halloween und damit zugleich die Zeit der candys vorüber ist, zeigt sich der “Indian Summer” in diesem Jahr mit 20 Grad Celsius und Sonnenschein immer noch von seiner schönsten Seite. Auch darf man sich auf Thanksgiving freuen und hoffen, dass die amerikanische Esskultur nicht ihre Spuren hinterlassen wird.