15. Juli 2021

Grüne Finanzsysteme für alle

15.07.2021 — London, Großbritannien

Ein Einblick in die grünen Kreditlinien der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Frau Tojimatova baut auf ihrer Farm im Westen Tadschikistans seit mehr als 20 Jahren Gemüse an, darunter bewässerungsintensive Arten wie Tomaten und Gurken. Es ist eine Region, die sich dank des verstärkten Grenzhandels mit Usbekistan schnell entwickelt.

Frau Tojimatova sah dies als Chance, ihr Geschäft auszubauen und wandte sich an ihre lokale Bank, um ein Darlehen in Höhe von 3.713 US-Dollar aufzunehmen. Das Geld investierte sie in ein 1200 m² großes Gewächshaus, in dem sie etwa 3.000 Tomatenpflanzenbestände anbauen kann. Ihr Ernteertrag wird sich damit um 140 Prozent steigern — von etwa 2.500 kg auf 6.000 kg. 

Die Investition ist sowohl für die Produktivität, und somit Frau Tojimatovas Geschäft, als auch für die Umwelt von Vorteil, weil das Gewächshaus den Wasserverbrauch deutlich reduziert, nämlich um 1.980 m3 pro Jahr. Das entspricht rund 19.800 vollen Badewannen.

Kredite für die grüne Transformation

Frau Tojimatovas Gewächshaus ist nur ein Beispiel von Tausenden von Projekten, die mit grünen Kreditlinien der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) realisiert werden. Diese Kreditlinien werden von der EBRD als zweckgebundene Darlehen an lokale Finanzinstitute wie Banken und Mikrofinanzinstitute vergeben und gehen beispielsweise an das lokale Gewerbe oder in die Wohninfrastruktur.

Die Finanzinstitute erhalten finanzielle Mittel und technische Unterstützung, um mit ihren Kundinnen Investitionsprojekte zu identifizieren und zu finanzieren, die grüne Technologien einsetzen.

Dabei spielen Maßnahmen zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel eine ganz besondere Rolle. Schließlich sind die Länder, in denen sich die EBRD engagiert, von emissionsintensiven Wirtschaftssystemen gekennzeichnet. Tadschikistan leidet zudem unter Wasserknappheit, die von Klimaveränderungen mitausgelöst wird.

Nachhaltigkeit durch geschlechtergerechte Kreditvergabe

Mit Hilfe dieser Darlehen wird die grüne Transformation im Finanzsektor vorangetrieben. Ein besonderer  Augenmerk liegt hierbei auch auf der Geschlechtergerechtigkeit: Die Gelder sollen sowohl Männern als auch Frauen zugutekommen. Letztere scheitern oft an geschlechterspezifischen Barrieren, wenn sie für ihre Investitionsvorhaben Kredit aufnehmen wollen. Die EBRD versucht hier Abhilfe zu schaffen, indem sie lokale Finanzinstitute in ihrem Umgang mit Kreditnehmerinnen schult.

Entwicklungsbanken streben mit ihren Investitionen auch ökologische und soziale Ziele an — neben Rentabilität. Bild: Ghazaal Hosseini.

Dies macht nicht nur aus sozialer Sicht, sondern auch aus unternehmerischer Perspektive Sinn: In Tadschikistan sind über zwei Drittel der in der Landwirtschaft Beschäftigten Frauen — oft, weil deren Männer zur Arbeitssuche das Land verlassen haben. Frauen sind daher nicht nur wichtige Partner im Kampf gegen Klimawandel und steigende Wasserknappheit, sondern stellen auch einen zukunftsträchtigen Kundenstamm für lokale Finanzinstitute dar.

Kooperation mit internationalen Partnern

Die EBRD arbeitet oft mit bilateralen und multilateralen Gebern zusammen, um finanzielle Mittel und technische Expertise für lokalen Finanzinstituten und deren Kunden bereitzustellen. Eine solche Partnerschaft unterhält die EBRD zum Beispiel mit dem Green Climate Fund (GCF).

Der GCF beteiligt sich auf zwei Arten:

  1. Er stellt zusätzliches Investitionskapital zur Verfügung, mit dem die EBRD lokale Finanzinstitute unterstützt. Auf diese Weise kann die EBRD mit ihren grünen Kreditlinien mehr Menschen in mehr Ländern erreichen.
  2. Der GCF stellt Zuschüsse für projektbegleitende Maßnahmen zur Verfügung: Lokale Expert*innen unterstützen Finanzinstitute dabei, grüne Projekte zu finden und zu finanzieren. Dazu gehört zum Beispiel die Schulung von Mitarbeiter*innen zu den Themen Klimawandel, Energieeffizienz, Risikomanagement oder finanzielle Inklusion. Die Teams erarbeiten Marketingstrategien, organisieren Konferenzen und verleihen Preise, bei denen die ambitioniertesten Finanzinstitute und deren Projekte gekürt werden.

Weitere Instrumente, die den Finanzsektor grüner machen

Nebst diesen Krediten gibt es eine Reihe von weiteren Finanzinstrumenten, mit denen die EBRD die grüne Transformation des Finanzsektors in Nordafrika, Osteuropa und Zentralasien vorantreibt:

  • Investitionen in grüne Anleihen von lokalen Finanzinstituten (Green Bonds)
  • Garantien an lokale Finanzinstitute, um Risiken in der Finanzierung neuer Technologien zu reduzieren
  • Finanzierung des Imports oder Exports von nachhaltigen Technologien in oder aus den jeweiligen Regionen (EBRD Green Trade Facilitation Programme).

Hin zu einer neuen Risikobewertung

Für die EBRD selbst und ihre lokalen Finanzinstitute kann mehr Wirkung auch weniger Risiko bedeuten. Emissionsintensive Investitionen oder solche mit anderen negativen Umwelteffekten werden zunehmend als finanzielles Risiko betrachtet.

Neue Umweltschutzgesetze, technologische Veränderungen, sich wandelnde Kundenpräferenzen oder Wetterbedingungen, die sich stetig oder plötzlich verändern, können die Wirtschaftlichkeit und das Kreditrisiko von Projekten gefährden. Zunehmende Dürre ist beispielsweise ein Risiko für einen Avocado-Bauern. Weil Kreditnehmer*innen dann unter Umständen ihre Schulden nicht mehr begleichen können, gehen immer mehr Investoren davon aus, dass solche Umweltrisiken die Stabilität des Finanzsektors gefährden.

Werden grüne und geschlechtergerechte Investitionen also zur Maxime für den gesamten Finanzsektor? Die EBRD jedenfalls zeigt mit ihren Kreditlinien auf, dass Wirkung und Rentabilität keinen Zielkonflikt darstellen und räumt damit mit diesem Mythos auf, der sich hartnäckig hält. Tatsächlich sind nachhaltige Investitionen vor allem eins — zukunftssicher!

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