6. August 2013

Kampf um Wasser in Kibera: Informelle Wasserversorgung in einem Slum von Nairobi

In Kibera, Kenias größtem Slum, hapert es unter anderem an der Wasserversorgung. In die Trinkwasserversorgung sind verschiedenste Akteure eingebunden, von NGOs über legale Wasserhündler bis hin zu kriminellen Gruppierungen. Die Bewohner leiden unter der mangelnden Ver­- und Entsorgung.

Der Großraum Nairobi hat heute eine Bevölkerung von circa 3,9 Millionen Einwohnern. Diese Zahl wird sich in den nächsten 15 Jahren auf Grund der hohen Geburtenrate und der Land­flucht verdoppeln. Dies führt zu einer Reihe von Problemen, insbesondere im Bereich Wohnraum, Infrastruktur, Verkehr sowie Versorgung. Einwohner aus ländlichen Gegenden Kenias zieht es auf der Suche nach Arbeit in die Großstadt. Dort benötigen sie bezahlbaren Wohnraum, den sie häufig in einer der zahlreichen informellen Siedlungen (Slums) finden. Mittlerweile wohnt fast jeder dritte Einwohner Nairobis in einer informellen Siedlung mit Slum-­Charakter.

Kibera ist die größte informelle Siedlung Kenias und eine der größten Afrikas. Laut der letzten Volkszöhlung leben ca. 200000 Menschen unterschiedlicher Ethnien in Kibera auf nur vier Quadratkilometern. Neben anderen infrastrukturellen Unzulänglichkeiten ist eines der Hauptprobleme Kiberas die Wasser­ und Sanitärversorgung. Der städtische Wasserversorger schätzt, dass nur etwa 22 % der Slumbewohner in Nairobi über eine hauseigene Wasserleitung verfügen und Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.

Die große Mehrheit kauft ihr Wasser an sogenannten Wasser­kiosken. Einige der Kioske werden legal betrieben. Sie sind bei der Stadt registriert, erhalten Wasser aus städtischen Leitungen und verfügen zur Berechnung ihres Verbrauchs über einen Zähler. Die meisten Wasserkioske in Nairobis Slums sind jedoch illegal. Sie zweigen Wasser mit Plastikschläuchen von städtischen Leitun­ gen ab. Die Schläuche sind oft undicht und werden mangelhaft geflickt, wodurch leicht Schmutz ins Wasser gerät. Zudem wird das Wasser überteuert verkauft. Der Preis richtet sich nach der Verfügbarkeit, denn Kibera erhält nur zwei bis drei Mal in der Woche Wasser. Durch die illegalen Abzweigungen und unregel­mäßige Zahlung der Wasserrechnungen ist Kibera für den städ­tischen Versorger ein Verlustgeschäft und bekommt in Folge sprichwörtlich den Hahn zugedreht.

An wasserknappen Tagen verzichten viele Familien in Kibera auf das Wäschewaschen oder Putzen, damit genügend Wasser zum Trinken und Kochen bleibt. Auch die Abwasserentsorgung ist ein ernstes Problem. Die Nutzung von öffentlichen Toiletten kostet 5 Kenianische Schilling (etwa 5 Euro Cent). Wegen des relativ hohen Preises greifen viele auf fliegende Toiletten zurück, wobei eine Plastiktüte als Toilette verwendet und anschließend auf der Straße entsorgt wird. Frauen nutzen diese Methode oft, da es nachts gefährlich ist, zu den meist weit entfernten öffentli­chen Toiletten zu gehen. Auch Kinder sind von der schlechten Sanitärversorgung betroffen: Sie spielen im Freien inmitten von Müll und fliegende Toiletten. Die mangelnde Hygiene löst häufig Erkrankungen wie Durchfall, Atemwegsinfektionen und andere übertragbare Krankheiten aus. Die labile Gesundheit der Einwohner Kiberas führt zu einer hohen Kindersterblichkeit, be­einträchtigt den regelmäßigen Schulbesuch und führt zu krank­heitsbedingten Arbeitsausfällen bei Berufstätigen.

Legaler Wasserkiosk in Kibera. © Charlotte Ndakorerewa

Kriminelle Strukturen im Wassermanagement

NGOs versuchen durch den Bau von Wasserkiosken und sani­tären Anlagen, die von Frauengruppen und anderen „Community Based Organisations“ (CBOs) verwaltet werden, die Lebens­ bedingungen zu verbessern. Doch selbst wenn ihnen Fortschritte gelingen, stoßen sie bei ihrer Arbeit auf Herausforderungen. Sie bekommen es mit mafiaähnlichen Gruppen zu tun, die den Zugang zu Wasser und dessen Preis kontrollieren. Die Mungiki zum Beispiel sind eine Jugendgang der ethnischen Gruppe der Kikuyu. Sie stehen einflussreichen Politikern ihrer Volksgruppe nahe, bilden Wasserkartelle und dominieren auch die Sicherheits­lage in Kibera. Mehrere Wasserkioske, die teilweise von NGOs und internationalen Geldgebern gefördert werden, sind unter der Kontrolle der Mungiki, die sich vereinzelt auch als CBO tarnen. Eine Frauenorganisation in Kibera, die einen legalen Wasserkiosk betreibt, bekam den Einfluss der Wassermafia hautnah zu spüren. Als sie die Zusage für die finanzielle Förderung des Wasser­kiosks von einer nationalen NGO erhielten und mit dem Bau des Kiosks anfingen, verlangten die Mungiki ein Schutzgeld von umgerechnet etwa 500 Euro. Da die Frauen dieses Geld nicht so­ fort aufbringen konnten, wurden sie belästigt. Sie wandten sich an die Polizei und an lokale Behörden, aber niemand half ihnen. Die Belästigungen hörten erst auf, als sie das Schutzgeld schließ­lich zahlten. Der Einfluss und die Vernetzung der Gangs ist groß und es scheint, dass diese Aktivitäten in der Bevölkerung oft gezwungenermaßen akzeptiert werden. Heute helfen ein paar der Mungiki sogar manchmal in dem von der Frauenorganisation geführten Wasserkiosk.

Kreative Lösungen

Seit langem wird über die Einführung einer öffentlichen Wasserver­- und Abwasserentsorgung diskutiert. Dies stellt die Verwaltung aber vor große Herausforderungen. Die kenianische Regierung toleriert den Slum, sieht die Einwohner von Kibera jedoch als illegale Siedler. Nicht vorhandene Landtitel machen den Bau von Infrastruktur kompliziert und für private Investoren sind die Slums finanziell wenig attraktiv. Trotz der Schwierigkeiten der informellen Wasserversorgung sind es Wasserkioske, die Menschen in Slums den Zugang zu Wasser oft überhaupt erst ermöglichen. Langfristig können sie das Recht auf Wasser für jeden Slumbewohner aber nicht befriedigend umsetzen. Um eine nachhaltige Lösung zu finden, die ausreichende Hygiene und eine gerechte Verteilung sicherstellt, ist eine öffentliche Ver­sorgung in Slums notwendig – möglichst durch Hausanschlüsse. Der Weg führt sicherlich zunächst über Zwischenlösungen wie legale Wasserkioske, gemeinschaftliche Sanitäranlagen und andere kreative Lösungen wie zum Beispiel biologisch abbaubare Einweg­ Toilettenbehältnisse, die Krankheitserreger abtöten können wie das in Schweden entwickelte „PeePoo“. Neben dem Engagement aller Akteure und innovativer Finanzierungsformen für eine solche Lösung müssen aber noch viele Probleme angegangen werden, unter anderem die Überwindung von mafiösen Strukturen.