2. März 2012

Sinn der Arbeit oder Freude an der Arbeit?

Endlich bin ich in Kolumbien angekommen. Nachdem ich mich schon bei der Weltbank in Washington mit den Themen Dezentralisierung und Bürgerbeteiligung in Kolumbien auseinandergesetzt habe, werde ich mich hier nun bei UNDP vor Ort weiter mit dem Thema beschäftigen. Statt vom Leben in Kolumbien oder den Problemen bei der Umsetzung effektiver Bürgerbeteiligung zu erzählen, möchte ich jedoch ein Thema anschneiden, dass mich derzeit weit mehr beschäftigt: Der potenzielle Widerspruch zwischen Sinn und Spaß der Arbeit, für die ich mich engagiere. Denn wie ich in den letzten Monaten erfahren musste, stimmen in meinem Fall Ersteres und Letzteres leider nicht notwendigerweise überein.

Trotz aller gerechtfertigten Kritikpunkte bin ich davon überzeugt, dass die finanzielle Zusammenarbeit der sinnvollste Ansatz im gegenwärtigen System internationaler Entwicklungszusammenarbeit ist Die Vergabe von Geldern an Regierungen – abhängig vom Erreichen kollektiv vereinbarter Ziele – zur selbstorganisierten Durchführung struktureller Reformen und Entwicklungsprogramme verankert die Verantwortung für „Entwicklung“ nicht nur dort, wo sie sein sollte (bei den jeweiligen Regierungen), sondern ist durch den Aufbau von selbstständigen Institutionen auch der nachhaltigste Ansatz. Die direkte Umsetzung von Entwicklungsprojekten durch NGOs hingegen bekämpft größtenteils nur Symptome von Armut, nicht jedoch deren Ursachen. Und obwohl technische Zusammenarbeit und Beratung durchaus Lücken bei der Kapazität von Regierungen schließen kann, ist deren Effekt aus meiner Sicht meist nur als minimal einzuschätzen. Der Platz für die Ausarbeitung dieser eher schemenhaften Argumentation fehlt mir hier, jedoch entwickelt sie sich auch im akademischen Umfeld und bei Geberländern immer mehr zum Konsens (siehe die Dominanz der institutionellen Entwicklungsökonomie in der Wissenschaft, oder von Ansätzen wie „ownership“, „strengthening country system“, oder „direct budget support“ in internationalen Geberabkommen).

Worauf ich mit diesem Blog-Eintrag jedoch aufmerksam machen will, sind die Auswirkungen dieser theoretischen Überlegungen auf die persönliche Berufs- und Lebensplanung von jungen Menschen wie mir, welche sich die Bekämpfung von Armut zur Lebensaufgabe gemacht haben. Denn was tun, wenn die Überzeugung für einen bestimmten Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit nur wenig mit den persönlichen beruflichen Interessen übereinstimmt?

Mir persönlich ist beispielsweise völlig klar, dass mir Entwicklungszusammenarbeit oder gar humanitäre Hilfe nahe der Implementierungsebene am meisten Freude bereitet. Am liebsten würde ich Nahrungsmittelhilfe in Krisengebieten organisieren, ein Infrastrukturprojekt managen, oder Lokalregierungen beraten. Gleichzeitig glaube ich jedoch, dass diese Tätigkeiten nur einen sehr begrenzten langfristigen und nachhaltigen Effekt haben würden – und mein Einsatz in der finanziellen Zusammenarbeit „mehr“ bewirken könnte, auch als kleines Rad in einem großen Prozess. Natürlich hängt die Freude an der Arbeit von der Persönlichkeit eines jeden Individuums ab, und findet sich nicht in jedem Fall nahe der Implementierungsebene. Aber viele finden ihre berufliche Erfüllung beispielsweise auch in einer entwicklungspolitischen Forschungstätigkeit bei einem Think-Tank, und sind von der Wirksamkeit des Großteils ihrer Forschungsergebnisse und Publikationen genauso wenig überzeugt.

Für dieses Dilemma gibt es keine klare Antwort. Selbstverständlich sollte jede(r) angehalten sein, sich nur für diejenigen Organisationen und Tätigkeiten zu engagieren, welche tatsächlich Dinge verändern können und mit dem eigenen ethischen Kompass in Einklang zu bringen sind. Aber gleichzeitig macht es wenig Sinn, einer persönlich nicht erfüllenden Arbeit nachzugehen – zumal dann auch nicht von einer hohen Qualität der Arbeit ausgegangen werden kann.

In der Realität jedoch bewegen wir uns immer in Grauzonen. Es gibt nicht die „sinnvolle“ und „nicht sinnvolle“ Entwicklungszusammenarbeit, sondern nur die „sinnvollere“ und „weniger sinnvolle“ Entwicklungszusammenarbeit. Ebenso wenig existiert die „erfüllende“ und „nicht erfüllende“ Tätigkeit, sondern nur die „erfüllendere“ und „weniger erfüllende“ Tätigkeit. Jede(r) muss für sich selbst die richtige Balance in diesem Spektrum finden, und mit etwas Glück gibt es bei einigen auch überhaupt keinen Widerspruch. Nach meinen persönlich weniger erfüllenden Erfahrungen in der finanziellen Zusammenarbeit bei der Weltbank werde ich mich nun an der technischen Zusammenarbeit mit Lokalregierungen in Kolumbien mit UNDP versuchen. Auf den Weg geben kann ich aber nur folgenden Ratschlag: Tut so viel Gutes wie möglich, mit so wenig persönlichem Frust wie nötig.