6. Juni 0205

All-In im Innovationspoker: Alle Karten auf Grün setzen

Klimawandel aufhalten wird oft mit Verzicht gleichgesetzt. Verzicht auf einen ressourcenintensiven Lebensstil, den wir uns v.a. in der industrialisierten Welt angewöhnt haben. Dem Weg zu einer klimafreundlichen Gesellschaft wäre mit einem positiven Narrativ besser geholfen. Grünes Wachstum bietet Raum dafür.

Wozu grün wachsen und nicht mehr braun wie bisher? Es geht darum, die Welt auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu lenken und sowohl den CO2-Ausstoß als auch den gesamten Ressourcenverbrauch auf einem Niveau zu stabilisieren, das künftigen Generationen vergleichbare Chancen wie den heutigen ermöglicht. Das wird nur möglich sein, wenn es uns gelingt, unseren Ressourcenverbrauch und wirtschaftliches Wachstum zu entkoppeln.

Dazu muss der öffentliche Sektor Innovationen, Forschung und Start-ups in grünen Technologien in einer frühen Entwicklungsphase unterstützen. Das Internet, GPS, der Touchscreen oder der Computer sind nur einige Beispiele für Technologien, die in der Anfangsphase öffentliche Unterstützung erhielten und so den Durchbruch geschafft haben. Nur so kann sich eine eigenständige Dynamik entwickeln, welche grüne Technologien zunehmend wettbewerbsfähiger macht.

Grüne Investitionen auf allen Ebenen

Wie kann das konkret aussehen? Mit direkter Innovationsförderung, d.h. Forschungs- und Entwicklungsgelder für Universitäten, Start-ups und Unternehmen, die energieeffiziente Technologien entwickeln, und Fördergelder für die Installation und Anwendung solcher Technologien, z. B. Einspeisezuschuss für Photovoltaik. Ein gutes Beispiel eines Innovations-Inkubators ist KIC-Climate, ein länderübergreifendes europäisches Netzwerk, welches Ideenworkshops organisiert, Start-ups im Klimabereich durch Wettbewerbe fördert und bei Geschäftsentwicklung oder Finanzierungssuche unterstützt. Ende vergangenen Jahres konnten von KIC-Climate begleitete Start-ups 59 Millionen Euro externe Finanzierung sichern und damit jährlich über 120 Start-ups begleiten.

Start-up-Förderung findet auch lokal statt. Kopenhagen will die erste CO2-neutrale Stadt weltweit werden und fördert darum aktiv die Ansiedlung innovativer Klima-Start-ups. Zahlreiche Firmen, die saubere Technologien entwickeln,haben sich in Kopenhagen angesiedelt. So hat sich um die Stadt ein sogenanntes „Cleantech-
Cluster“ gebildet – ein Magnet für junge Leute mit Geschäftsideen im „grünen“ Bereich. Ohne Starthilfen wäre das nicht denkbar gewesen. Dänemark weist inzwischen weltweit die höchste Cleantech- Produktion in Relation zu ihrer Wirtschaftsleistung auf (3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts).

Innovationen brauchen Infrastruktur

Ob Innovationen den Durchbruch schaffen, ist aber nicht nur eine Frage der unmittelbaren Unterstützung, sondern auch eine Frage der vorhandenen Infrastruktur. Tesla Motors hat als erstes Unternehmen publikumswirksam ein Elektroauto präsentiert, welches sich mit konventionellen Fahrzeugen messen kann. Gleichzeitig hat der Autokonzern beschlossen, seine Patente kostenfrei zu veröffentlichen, um die Entwicklung des Marktes in Richtung Elektroautos zu beschleunigen. Diesem Entscheid lag nicht etwa Altruismus zu Grunde, sondern die Einsicht, dass es eine kritische Masse an Elektroautos braucht, um die Anreize für den Bau der passenden Lade-Infrastruktur zu setzen.

Gleiches gilt für erneuerbare Energien. Intelligente Stromnetze und -zähler, welche den Verbrauch besser an sich laufend ändernde Sonnen- und Windintensitäten anpassen, sind die Voraussetzung für die umfassende Nutzung von volatilen erneuerbaren Energien. Die Stadt Arbon hat zum Beispiel als erste Schweizer Stadt flächen- deckend bei rund 14.000 Einwohnern sogenannte „Smart Meter“ installiert. Unterstützt wurde dies von der öffentlichen Hand: Das städtische Elektrizitätswerk übernahm die Installation.

Erfolgsbeispiel Südkorea

Südkorea investiert mittlerweile weltweit prozentual zum BIP am meisten in umweltschonende und energieeffiziente Technologien. Mittels Steuerrabatten und Entwicklungszuschüssen fördert Südkorea seit 2009 gezielt 27 grüne Schlüsseltechnologien. Innerhalb weniger Jahre schaffte es Südkorea damit, in den Bereichen Solarzellen, schadstoffarme Fahrzeuge, LED und grüne IT den technologischen Rückstand auf die Weltmarktführer beinahe zu eliminieren. Südkorea legte in nur gut fünf Jahren den Grundstein für eine erfolgreiche grüne Industrie – ein Vorbild für Europa?

Am Schluss ist aber das beste Innovationsprogramm nur so gut wie seine Exit-Strategie. Die Förderung von unerprobten Technologien bleibt risikobehaftet und zahlreiche Projekte scheitern.

Entscheidend für das grüne Wachstum der Zukunft wird sein, dass Staat und Wirtschaft aus den Anlaufversuchen der Start-ups und der vielen kleineren Initiativen die richtigen Schlüsse ziehen und diese im Design neuer Innovationsprogramme berücksichtigen.