3. Februar 2015

Der Jurist, ein aufstrebender Klimakämpfer

Wie tragen Juristen zum Klimaschutz bei? Während auf dem internationalen Parkett die Frage von Verlust- und Schadensersatz noch verhandelt wird, steigt weltweit die Anzahl der Fälle, in denen Verantwortung für Vermeidung von und Anpassung an den Klimawandel eingeklagt wird.

Derzeit prüft die Hamburger Anwältin Roda Verheyen die Erfolgsaussichten der Klage eines peruanischen Kleinbauers gegen den Energiekonzern RWE auf Zahlung von 20.000 Euro für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen gegen klimabedingte Flutrisiken in Peru. 20.000 Euro entsprechen einem Hundertstel der drohenden Kosten. Diese Berechnung stützt sich auf eine Studie aus dem Jahr 2013, die die ausgestoßenen Emissionen der vergangenen 150 Jahre zu 90 Konzernen zurückverfolgt. RWE ist einer davon. Diese Art von Studien machen es erstmals möglich, die Mitverantwortung der Großkonzerne an der globalen Klimaerwärmung quantitativ auszudrücken und vor Gericht in Zahlungsansprüche zu übersetzen. Der Fall von RWE ist der erste seiner Art und würde einen globalen Präzedenzfall setzen.

Aber nicht nur Konzerne, sondern auch Staaten geraten ins Visier der Juristen. So hat im Juni 2015 ein niederländisches Gericht einer bis dahin beispiellosen Klage stattgegeben: Es stellte fest, dass die niederländische Regierung gesetzlich verpflichtet sei, die niederländischen CO2-Emissionen bis 2020 um ein Viertel im Vergleich zu 1990 zu senken, um seine Bürger vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Eine ähnliche Klage wird auch in Aus- tralien und Norwegen geprüft. Diese Fälle zeigen, dass Klimaschutz zunehmend auf juristischer Front betrieben wird.

Neben der Feststellung der Verantwortung für klimabedingte Schäden und Verluste leisten Juristen weltweit bereits einen wichtigen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen. Die juristisch erstrittene Verhinderung von Kohlekraftwerken in den USA zeugt von einer enormen Wirkungskraft des Juristen im Kampf gegen den Klimawandel.

Im Jahr 2001 beschloss der damalige US-Präsident George W. Bush die amerikanische Kohleindustrie wieder zu beleben und schloss eine Vereinbarung mit dem Privatsektor um 220 neue Kohlekraftwerke zu bauen. Trotz der Begeisterung der Kohleindustrie wurden davon nur drei Kraftwerke gebaut. Zum Hindernis wurde eine breit aufgestellte juristische Kampagne der ältesten amerikanischen Umwelt-Nichtregierungsorganisation Sierra Club.

Der Sierra Club befürchtete, dass der Bau neuer Kohlekraftwerke die USA für lange Zeit auf eine veraltete, klima- und umweltschädliche Form der Energiegewinnung festlegen würde. So wurde im Rahmen der Beyond Coal-Kampagne eine Armada an Umweltjuristen gezielt darin geschult, Baugenehmigungen gerichtlich zu hinterfragen und juristisch anzugreifen. Mit Erfolg.

Als der Bau der neuen Kraftwerke vom Tisch war, wurde die Kampagne auf die schon laufenden 523 Kraftwerke ausgeweitet. Bis September dieses Jahres waren 204 vom Netz genommen oder umgerüstet worden. Die Beyond Coal-Kampagne trug dazu bei, dass die USA im Jahr 2014 bei der Reduktion von Kohlenstoffemissionen weltweit an erster Stelle standen.

Während in den USA der „aktivistische“ Jurist seit Langem ein etablierter Akteur der Zivilgesellschaft ist, ist diese Rechtskultur in Europa erst im Entstehen. Vorreiter ist hier die pro-bono Kanzlei ClientEarth, deren 60 Anwälte sich Vollzeit mit Umwelt- und Klimaschutz beschäftigen. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Energiewende. So verhinderten die Anwälte von ClientEarth den Bau von Kohlekraftwerken in Großbritannien und Polen. In Polen wurde ihre Tätigkeit zunächst mit massivem Misstrauen aufgenommen. Der polnische Sicherheitsdienst beschattete involvierte Anwälte und Medien brandmarkten sie als „Ökoterroristen“. Mittlerweile berät die Kanzlei politische Entscheidungsträger bei der Entwicklung moderner und sauberer Energiekonzepte. Juristischer Klimaschutz hat viel Potential, europäische Staaten und Unternehmen zu mehr Engagement im Klimaschutz zu bewegen.

Ansatzpunkte bestehen insbesondere in der Umwelthaftung, bei der Anwendung bereits bestehender Emissionsstandards, der Abschaltung veralteter Kohlekraftwerke und der Entwicklung zeitgemäßer Energiepläne. Viele osteuropäische Staaten verfolgen noch immer kohlelastige Energiepläne, deren Umsetzung schwer mit den Dekarbonisierungszielen der Europäischen Union vereinbar sind. Auch Deutschland ist auf dem Radar der Klimajuristen. Allein ein Viertel der 280 europäischen Kohlekraftwerke stehen in der Bundesrepublik. Viele von ihnen sind veraltet und entsprechen nicht mehr modernen Standards.