28. Juni 2012

Die Union für das Mittelmeer und ihre Rolle in der Verbreitung erneuerbarer Energien

Der Reisezug, der mir in meinem Kollegjahr schon so viel von der Welt der erneuerbaren Energien gezeigt hat, hat in diesem Monat in Barcelona halt gemacht. Bei der Union für das Mittelmeer. In der Energieabteilung natürlich. Hier bin ich nach Stationen bei der Desertec Industrial Initiative in München und im marokkanischen Energieministerium in Rabat gelandet. Bevor ich wieder einsteige und Ende dieser Woche in Richtung Brüssel zur EU Kommission aufbreche möchte ich von dieser Institution und von ihren Zielen im Bereich der erneuerbaren Energien erzählen.

Möglicherweise ist die Union für das Mittelmeer (kurz: UfM) Ihnen und Euch noch aus dem Präsidentschaftswahlkampf von Nicolas Sarkozy 2007 ein Begriff. Sarkozy wollte sie während der französischen EU-Ratspräsidentschaft ins Leben rufen und argumentierte, die UfM könne dem Friedensprozess im Nahen Osten helfen (Israel, die Palästinensische Autonomiebehörde und andere umliegende Staaten in der Region sind Mitglieder). Zudem schlug er vor, die Union könne der Türkei eine alternative Perspektive zum gewünschten Beitritt zur EU bieten. Die UfM wurde nach langen Verhandlungen im Juli 2008 gegründet und nahm im März 2010 schließlich ihre Arbeit auf. Ein Forum für politischen Dialog der Staaten nördlich und südlich des Mittelmeers – zur Schaffung von Frieden, Demokratie, regionaler Stabilität und Sicherheit, wie durch ihre Gründungsdokumente vorgesehen und von Sarkozy beabsichtigt – ist die Union bislang eher nicht geworden. Zum einen weigerten sich die Nahoststaaten nach der israelischen Militäroperation „Gegossenes Blei“ 2008/2009 lange mit Israel im Rahmen der UfM zu kooperieren. Zum anderen verlangte die Türkei bei der Gründung der UfM eine Garantie, dass ihr Beitritt keinen Einfluss auf ihre Beitrittsverhandlungen mit der EU haben werde. Dennoch: Im Kooperationsprozess ihrer Mitgliedstaaten zur Entwicklung erneuerbarer Energien hat die UfM eine wichtige Rolle gefunden. Sie soll die Umsetzung des sogenannten „Mittelmeersolarplans“ vorbereiten.

Beim Gründungstreffen der UfM in Paris 2008 wurde die Entwicklung des „Mittelmeersolarplans“ von den Mitgliedstaaten als eine Priorität beschlossen. Der Plan sieht die Schaffung von 20 Gigawatt erneuerbarer Energiekapazität in den südlichen Mittelmeerländern bis 2020 vor. Er zielt zum einen auf die lokale Produktion erneuerbarer Energien in diesen Staaten ab, zum anderen soll er Möglichkeiten des Exports von Strom aus diesen erneuerbaren Energien nach Europa aufzeigen. Die UfM könnte auf Grundlage ihres Mandates und aufgrund ihrer Mitgliederstruktur zu einem zentralen Forum für die Kooperation im Bereich der erneuerbaren Energien in der Mittelmeerregion werden. Sie hat die Chance, einerseits die Interessen ihrer südlichen Mitglieder zu vertreten, die mit einem stark steigenden Energiebedarf, steigenden Energiepreisen und knapper werdenden fossilen Ressourcen zu kämpfen haben. Andererseits könnte sie den EU-Staaten Möglichkeiten des Projekt-Engagements in den südlichen Mittelmeerländern aufzeigen und Pläne zum Stromexport von Süd nach Nord ausloten. Keine regionale Institution in der Mittelmeerunion besitzt bislang ein solches Mandat der beteiligten Akteure erhalten.

Der Bedarf für eine Institution wie die UfM ist auf beiden Seiten des Mittelmeers groß: Länder wie Marokko oder Tunesien haben nationale Pläne zur Entwicklung von erneuerbaren Energieindustrien beschlossen und bereits erste eigene Solar- und Windenergieprojekte geplant. Sie sind bei der Umsetzung dieser Projekte jedoch auf europäische Technologie und auf Finanzhilfen angewiesen. Langfristig müssen sie es schaffen, dass ihre nationalen Firmen wachsende Anteile an erneuerbaren Energieprojekten selbst produzieren und dass einheimische Arbeitskräfte immer mehr Aufgaben bei der Errichtung und bei der Wartung solcher Projekte selbst erledigen. Sonst wäre es insbesondere in einem Land wie Marokko den Menschen nur schwer zu vermitteln warum für den nationalen Bildungssektor nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen (48% der marokkanischen Bevölkerung kann nicht lesen und schreiben), gleichzeitig aber Millionen von Euro für erneuerbare Energieprojekte an europäische Firmen fließen. Die UfM wird auf die lokale Wertschöpfung und die industrielle Entwicklung in den südlichen Mittelmeerstaaten ein spezielles Augenmerk legen und beabsichtigt, diese Staaten mit Expertise und Projektfinanzierung bei der Schaffung ihrer eigenen Industrien zu unterstützen. Sie könnte auf dieser Grundlage viel Glaubwürdigkeit in diesen Staaten erlangen.

Zugleich könnten Länder wie Deutschland, Frankreich oder Italien, die Technologie und Know-How im erneuerbaren Energiebereich besitzen und langfristig an einem Import von grünem Strom aus den südlichen Mittelmeerstaaten interessiert sind, die UfM als geeignetes Forum für die Kommunikation ihrer Interessen ansehen. In ihrem Mittelmeersolarplan wird die Union einen besseren Schutz für ausländische Investoren vor unvorhergesehenen staatlichen Interventionen und eine Liberalisierung der Strommärkte in den Ländern des Südens propagieren. Für die Umsetzung möglicher Stromexportprojekte in die EU sucht die UfM nach Möglichkeiten, Stromtrassen durch das Mittelmeer oder um das Mittelmeer herum zu bauen und um die Stromnetze der südlichen Länder mit denen der EU-Staaten zu synchronisieren.

Soweit ich dies nach meiner kurzen Mitarbeit beurteilen kann hat die UfM die Chance, in der Entwicklung der erneuerbaren Energien in ihren Mitgliedstaaten in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle zu spielen. Ihr Einfluss wird dabei wohl maßgeblich von der politischen Unterstützung abhängen, die sie erhält. Bislang stehen für ihre Aufgaben im Energiebereich lediglich drei Arbeitskräfte zur Verfügung. Zudem ist ihre langfristige Finanzierung nach der Abwahl ihres Erfinders Sarkozy und in Zeiten der europäischen Schuldenkrise nicht gesichert. Der Standort Barcelona, mit seiner unglaublich hohen Lebensqualität, macht die UfM als Station für nachfolgende Kollegiaten mit einem Interesse an erneuerbaren Energien jedoch sicherlich zusätzlich interessant.