1. September 2017

Fake News, Hate Speech, Bots – Verlieren wir das Vertrauen in die Demokratie?

Hate Speech, Fake News, Manipulationskampagnen – in den vergangenen Jahren wurde unsere Medienlandschaft und somit auch unsere Demokratie auf den Kopf gestellt. Dabei sollten wir uns nicht zu Opfern der sozialen Medien machen, sondern vielmehr lernen mit ihnen umzugehen.

Die Euphorie über soziale Medien und das Zeitalter der digitalen Demokratie war groß. Das Internet sollte uns mehr Transparenz, eine nahbare Politik und endlich einen gesamtgesellschaftlichen öffentlichen Diskurs ermöglichen. Trotzdem gab es schon vor Jahren einige, die den neuen Medien mit einer gesunden Prise Skepsis gegenüberstanden. Jürgen Habermas, der große Theoretiker des Strukturwandels der Öffentlichkeit, warnte schon 2008 davor, dass die Qualität öffentlicher Debatten abnehmen, und dass sich die Öffentlichkeit im virtuellen Raum in durch „Spezialinteressen zusammengehaltene Zufallsgruppen“ zersplittern könnte. Die vergangenen anderthalb Jahre scheinen diese Ängste zu bestätigen. Heute reden wir von Filterblasen. In den Wahlkampagnen zum Brexit-Referendum und der US-Präsidentschaftswahl wirkten soziale Netzwerke wie Facebook viel mehr wie unsoziale Medien, die öffentliche Debatten unterminieren, anstatt sie zu beleben. Zu der Verrohung des öffentlichen Diskurses durch Hate Speech kam eine neue Art von Propaganda durch Fake News und gezielte Hackingangriffe. Datengesteuerte Informations- und Manipulationskampagnen, oft in Verbindung gebracht mit dem britischen Unternehmen Cambridge Analytica, ließen Wahlkämpfe wirken wie eine Farce. Es entsteht der Eindruck, dass soziale Medien uns die Grundlage unserer Demokratie unter den Füßen wegziehen.

Doch es ist nicht nur Pessimismus angebracht. Auf viele Arten haben das Internet und die sozialen Medien unsere Demokratie nachhaltig positiv verändert. Online-Petitionen fragen die Meinungen vieler Bürger*innen ab, Politiker*innen treten per Twitter oder Facebook direkt mit ihren Wähler*innen in Kontakt und mehr Menschen beteiligen sich an öffentlichen Debatten.

Soziale Medien gehören zum Alltag, insbesondere bei Jugendlichen. // Bildnachweis: pixabay:natureaddict
Das Potenzial der sozialen Medien liegt in ihrer Vielfalt und Allgegenwärtigkeit. // Bildnachweis: pixabay: Gerd Altmann

Trotzdem lässt sich die dunkle Seite der sozialen Medien nicht verneinen: Vor allem populistische Parteien und Bewegungen integrieren automatisierte Online-Identitäten, sogenannte Bots, Fake News und datengetriebene Manipulationskampagnen gezielt in ihre Öffentlichkeitsarbeit. Ausländische Hacker*innen mischten sich außerdem in den amerikanischen und französischen Präsidentschaftswahlkampf ein. Dabei geht es nicht darum, gezielt Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Weder Cambridge Analytica noch Wikileaks und Hacker*innen alleine haben Donald Trump zum US-Präsidenten gekürt. Man muss nicht befürchten, dass diese Art der Einmischung unmittelbar den Wahlausgang entscheidet. Was jedoch sehr wohl auf dem Spiel steht, ist unser Vertrauen in die demokratischen Prozesse, die die Grundlage unseres politischen Systems bilden. Fake News können das Misstrauen der Bürger*innen gegenüber den Medien verstärken. Hate Speech und Bots bedrohen einen zivilisierten öffentlichen Diskurs im Netz. Hacks und Leaks, zum Teil mit Desinformation versetzt, unterwandern das Vertrauen der Bürger*innen in die Politik. Manipulationskampagnen vermitteln den Eindruck, man könne Wähler*innen per Knopfdruck steuern.

Diesen Herausforderungen zu begegnen ist nicht einfach. Das Ende Juni verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wirkt mehr wie ein verzweifelter und juristisch fragwürdiger Versuch, irgendwie eine Antwort auf die Herausforderung durch Hate Speech zu finden. Das Gesetz droht Betreibern von sozialen Netzwerken mit hohen Strafen, sollten sie „offensichtlich illegale“ Hassbotschaften auf ihren Webseiten nicht in kürzester Zeit löschen. Was „offensichtlich illegal“ ist, bleibt hierbei unklar. Im Zweifel soll ein unabhängiges Gremium im Sinne einer regulierten Selbstregulierung entscheiden. Die Bundesregierung lagert somit die Entscheidung über die Kriminalität von Hasskommentaren einfach aus, weg von der Judikative. Es wird daher nicht nur von der Digitalindustrie, sondern auch von einer breiten zivilgesellschaftlichen Allianz von Menschenrechtsund Meinungsfreiheitsorganisationen abgelehnt. Diese Initiative zeigt, dass sich nicht alles durch vorschnelle Gesetzesvorhaben lösen lässt. Vielmehr müssen wir lernen mit der neuen Medienlandschaft umzugehen. Gezielte Schulungen und Kampagnen können die Medienkompetenz der Bevölkerung verbessern. Wir müssen lernen auch online respektvoll miteinander umzugehen. Schon Schüler*innen müssen wissen, was guter Journalismus ist und wie er sich von Meinungsmache unterscheidet. Das Publikum muss anfangen, Nachrichten gewissenhaft zu hinterfragen und nicht jeder Schlagzeile hinterherzurennen. Dies ist keine schnelle oder einfache Lösung. Das Internet und die sozialen Medien verändern unseren öffentlichen Diskurs nachhaltig. Diese Veränderung ist mit einem gesellschaftlichen Lernprozess verbunden. Es liegt an uns, ihn aktiv zu gestalten.