10. November 2016

Jetzt ist die Zeit

Jetzt ist die Zeit
Warum das Wahljahr 2016 gerade für uns Jungen den Aufbruch bedeutet

Auf der ganzen Welt hat die Mehrheit der Wähler große Entscheidungen getroffen – in Kolumbien gegen den Friedensvertrag mit der FARC, in Großbritannien für einen Austritt aus der EU und in den USA für den wohl überraschendsten Präsidenten der Geschichte. Dreimal sind es Ergebnisse, die schockierten. Und die gerade für junge Menschen dennoch ein Ansporn sein müssen.

Böses Erwachen

In Deutschland ging man bei jeder der drei Abstimmungen mit einem etwas mulmigen Gefühl ins Bett, aber doch mit der Hoffnung, am Morgen von positiven Nachrichten empfangen zu werden. Wir gingen davon aus, dass schon „alles gut gehen“, die Vernunft siegen und das Volk für eine liberale Option stimmen würde. Dreimal wurde diese Hoffnung bitter enttäuscht und das Erwachen war begleitet von schockierenden Push-Nachrichten auf dem Smartphone. Und geprägt von einem großen Unverständnis Wie konnte es sein, dass Millionen von Amerikanern einen Mann wählten, der von Dutzenden Frauen sexueller Übergriffe bezichtigt wird? Warum stand das kolumbianische Volk nicht geschlossen hinter einem Friedensabkommen, das nicht nur einen blutigen 50-jährigen Konflikt beenden würde, sondern zudem auch international für seine Einbeziehung von Frauen- und Minderheitenrechten gefeiert worden war? Und warum entschieden sich die Briten mehrheitlich dafür, aus einem Staatenverbund auszutreten, der Voraussetzung für Finanzsektor und Wirtschaft ist und außerdem als das erfolgreichste Friedensprojekt der Geschichte gilt?

Diese Fragen beschäftigen Viele in Deutschland und sie machen es leicht, pessimistisch auf das Weltgeschehen zu blicken. Manche flüchten sich in Zynismus, andere fühlen sich in ihrer Meinung bestätigt, dass Politik ohnehin verteufelt sei und es sich erst gar nicht zu Wählen lohne. Diese Einstellung spiegelt sich auch in den vergangenen drei Abstimmung wider: In Kolumbien schritten nur etwas mehr als ein Drittel der Menschen zur Wahl (37,4%), in den USA waren es knapp mehr als die Hälfte (55,6%), in Großbritannien machten sich immerhin über zwei Drittel der Briten auf zur Urne (72,2%).

Jung und fremdbestimmt

Besonders überraschend ist allerdings, wie sich gerade junge Menschen verhalten haben. In Großbritannien blieben von den 18 bis 24-Jährigen 64% der Wahl fern – obwohl doch sie ganz besonders von den Möglichkeiten der EU wie Austauschprogrammen und Jobmöglichkeiten profitieren. Und es zeigt sich auch an den Ergebnissen, dass sich die Jugend dessen bewusst war – denn diejenigen, die abstimmten, sprachen sich mit überwiegender Mehrheit für einen Verbleib in der EU aus (ca. 75%). Auch in den USA malt sich ein ähnlicher Trend ab – die Zahlen zeigen, dass Clinton mit 54% weit mehr Stimmen unter den 18-29-Jährigen auf sich vereinen konnte als Trump (37%). Die Tage nach den Wahlen sind zudem geprägt von Protesten an vielen Universitäten Amerikas. Unter dem Motto „Not my president“ sprechen sich die Jungen gegen das Wahlergebnis aus. Doch auch in den Vereinigten Staaten zeigt sich statistisch über die Jahre, dass gerade junge Wähler zu wenig von ihrer Stimme Gebrauch machen, 2012 waren es 46%, für die Wahl 2016 haben wir noch keine verlässlichen Zahlen Die Mehrheit junger Menschen lässt also die eigene Zukunft fremdbestimmen. Denn wenn beispielsweise alle Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel in den nächsten 4 Jahren revidiert werden, dann betrifft das nur in begrenztem Masse die über 60-Jährigen. Stattdessen sind es ganz besonders diejenigen, die noch jahrzehntelang diesen Planeten bewohnen werden und ihn ihren Kindern überlassen werden, die unter den möglichen Auswirkungen zu leiden haben.

Es ist also Zeit, dass die junge Generation ihre Stimme erhebt.

Die Zukunft liegt in unseren Händen

In Deutschland wartet auf uns die Bundestagswahl 2017. In weniger als 12 Monaten müssen wir entscheiden, wie sich unser Land in den kommenden vier Jahren entwickeln soll. Die 18-Jährigen Erstwählern bestimmen zum Beispiel, wie die ersten Jahre ihres Erwachsenenlebens aussehen sollen, ein 30-Jähriger entscheidet möglicherweise, in was für einem Land sein erstes Kind aufwachsen soll. Wollen wir eine weltoffene, tolerante Gesellschaft, die Diversität feiert und uns die Möglichkeit gibt, uns frei zu entfalten? Wollen wir weiterhin ermöglichen, dass Menschen aller Religionen, Hautfarben und Hintergründe sich in unserem Land willkommen fühlen? Wollen wir gemeinsam mit unseren homosexuellen Freunden ihre Liebe oder auch einfach nur eine verrückte Party feiern? Wollen wir, dass unsere erste weibliche Kanzlerin nicht die Letzte bleibt, sondern ein Zeichen des Aufbruchs für mehr Gleichberechtigung ist?

Dann müssen wir uns abgrenzen vom Wahljahr 2016, das von Angst, Abschottung und Lügen geprägt worden ist. Denn wir haben gesehen, wie leicht die politische Agenda entgleiten kann. Wie schnell die Diskussion sich um E-mails, Haarschnitte und Liebschaften dreht. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist: Wie wir unser Land zu einem (noch) besseren machen können Wie unsere Zukunft zu einer hoffnungsvollen und optimistischen wird. Dazu ist unser Engagement gefragt, dazu müssen wir uns einbringen, unsere Meinungen vertreten, mitdiskutieren, wählen gehen. Uns nicht blenden lassen von der vermeintlichen Einstimmigkeit unseres Facebook-Newsfeeds, dieses ist Ergebnis eines Algorithmus. Er verhindert, dass wir sehen, welchen unserer Freunde es von unseren Werten und Argumenten zu überzeugen gäbe. So altmodisch uns das erscheinen mag – Zukunft entscheidet sich an der Wahlurne, nicht auf Instagram. Und 2016 hat uns gezeigt, dass die Stimme der Jungen heute mehr zählt denn je.

Und wir haben die Verantwortung, von ihr Gebrauch zu machen.