28. Dezember 2011

Von Bier, Fritten und anderen Drogen in Europas Schaltzentrale

Nun ist meine erste Station also Belgien geworden. Sicherlich nicht so exotisch wie
Südsudan, Indien oder Libanon, Arbeitsstationen von einigen meiner Mit-Mercatoris.
Vielmehr Brüssel, die Stadt der Eurokraten, Lobbyverbände und NGOs, der Diplomaten, der
NATO, die Hauptstadt Europas und dennoch irgendwie provinziell. Ich hatte nicht gerade
eine hohe Meinung von Brüssel, bevor ich kam und war daher positiv überrascht, von der
internationalen Atmosphäre, den durchaus vorhandenen netten Ecken, wo man gemütlich ein
belgisches Bier trinken oder belgische Fritten essen kann und auch vom ganz Brüsseluntypischen tollen Wetter, und das im Herbst!

Mein Arbeitsplatz für die letzten drei Monate war die Anti-Drugs Policy Coordination Unit in
der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission. Drugs Policy Coordination? Ja,
ich befasse mich während dieses Jahres mit internationaler Drogenpolitik, und NEIN, das
heißt nicht, dass ich ein internationales Drogenkartell aufbaue und den Drogenschmuggel
„koordiniere“, wie ich so oft scherzhaft gefragt werde. Gut, ich muss zugeben, meine Einheit
lässt sich am besten als europäische Schaltzentrale für internationale Drogenpolitik
bezeichnen, was sicher gewisse Vergleiche nahe legt. Dennoch, in meiner Arbeit bei der
Kommission ging es natürlich um das Gegenteil: die Aufgabe meiner Einheit ist es, die
Drogenpolitik der EU als Querschnittsthema zu koordinieren und eine kohärente Politik in
diesem Bereich zu formulieren. Diese Funktion ermöglichte es mir, spannende Einblicke in
die unterschiedlichen Bereiche der europäischen Drogenpolitik zu bekommen. So beschäftigte ich mich einerseits mit den inneren Angelegenheiten der europäischen Drogenpolitik wie der Koordinierung der verschiedenen europäischen Institutionen Rat, Kommission und Parlament sowie mit Projekten zur Reduzierung des Drogenkonsums und den Folgeschäden.Andererseits lag mein Arbeitsschwerpunkt auf internationalen Aspekten der Drogenpolitik, wie der Reduzierung von Drogenproduktion und –handel und Dialogen mit Drittstaaten, an denen ich teilnehmen und teilweise sogar mitverhandeln durfte.

Das internationale Umfeld in den Fluren der EU, mit Mitarbeitern aus 27 europäischen
Mitgliedsstaaten, war für mich faszinierend. Bedenkt man, dass Europa vor nicht allzu langer
Zeit von Krieg geprägt und danach Jahrzehnte geteilt war, so scheinen die vielen Schwächen
und Unzulänglichkeiten des „bürokratischen Monsters“ EU doch eher vernachlässigbar.
Zugleich ist es faszinierend, zu sehen, dass die EU trotz aller Behäbigkeit dennoch in vielen
Punkten immer wieder zu gemeinsamen Entscheidungen gelangt.
Manchmal kam es mir in dem internationalen Umfeld der EU so vor, als gäbe es kaum echte
Belgier in Brüssel (bösen Zungen zufolge ein Vorteil). Zumindest nahm man sie oft kaum
wahr, wenn man sich auf den Fluren der EU Kommission bewegte. Man fühlt sich ein
bisschen wie in einer Blase, die abseits vom alltäglichen Leben der Belgier abläuft, was noch
durch die vielen anderen Praktikanten in den EU Institutionen verstärkt wird, die dem Ganzen
ein bisschen das Gefühl von Erasmus für groß Gewordene verleihen.

Nun ist die erste Stage also schon wieder vorbei, unglaublich, die letzten drei Monate
vergingen wie im Flug, auch weil es eine sehr intensive Zeit war. Auch wenn ich schon
wieder gehen muss, kaum dass ich Fuß gefasst hatte, so denke ich dennoch, dass es gut ist,
nach dieser spannenden und schönen Zeit nun mein Mercator-Jahr beim UN Office on Drugs
and Crime (UNODC) in einer ebenfalls nicht sehr exotischen, aber wie ich gehört habe, sehr
schönen Stadt, fortzuführen: Wien.