8. November 2011

Zufall in Afrika

Ich befinde mich in Tamale, Ghana, der drittgrößten Stadt des Landes und eine der am schnellsten wachsenden Städte Westafrikas. Ich möchte mich meinen Vorgängern anschließen und über das Wetter berichten: Hier ist es heiß und staubig und ab und zu regnet es Bindfäden.

Ich arbeite hier für Innovations for Poverty Action (IPA), einer der US-amerikanischen Yale-Universität angegliederten NGO.

IPA versucht mit der Methode der randomisierten Feldversuche (Experimente) der Frage nachzugehen, ob Projekte der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) funktionieren, und wenn ja, wie gut. Bis heute sind Lerneffekte in der EZ rar. Wissenschaft, Praxis und die Öffentlichkeit sind sich einig, dass Dinge wie Schulbildung, bessere sanitäre Bedingungen, bessere Ernten etc. den Menschen in Entwicklungsländern helfen. Über die besten Wege diese Dinge zu erreichen, ohne dabei unintendierten Schaden anzurichten, herrscht jedoch weitestgehend Unwissenheit. Durch rigorosere wissenschaftliche Methoden wird daher nun vermehrt der Versuch unternommen, Klarheit über die Mechanismen der EZ zu schaffen.

Die zu diesem Zwecke eingesetzte Methode ist sehr simpel. Vor der Verabreichung der „Intervention“ (z.B. Schulbücher, Pillen gegen Eisenmangel, neue Ziegen, Mikrokredite) wird die anvisierte Zielgruppe durch eine Zufallsauswahl in Untergruppen unterteilt (im einfachsten Falle in zwei). Diese Untergruppen unterscheiden sich im Durchschnitt aufgrund des Gesetzes der großen Zahlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch nichts anderes als eben die verabreichte Intervention. So lassen sich die Effekte des Projektes genau beziffern und es besteht das Potential für Lerneffekte, die sich u. U. auf andere Kontexte übertragen lassen.

Mein Projekt heißt „Graduation from Ultra-Poverty“ (GUP). Mit diesem im Jahr 2010 gestarteten Programm wird versucht herauszufinden, welche Kombination von Unterstützungsleistungen dazu beiträgt den Ärmsten der Armen aus ihrer Situation zu helfen. IPA arbeitet hier mit der lokalen NGO, „Presbytarian Agricultural Services“ (PAS) als Implementierungsorganisation zusammen.

In einem ersten Schritt wurden die ärmsten Haushalte eines Dorfes durch eine Selbsteinschätzungsmethode ausgewählt. Anschließend wurde ein Zensus für diese 3866 Haushalte durchgeführt. Durch eine geschichtete Randomisierung wurden dann die Dörfer verschiedenen Programmteilen zugeteilt, dies sind a) die volle GUP-Intervention (Sparkonten, medizinische Unterstützung, finanzielle Unterstützung, Landwirtschaftstraining), b) eine Variante, die nur die Sparkomponente enthält (SOUP) , c) pure Kontrollgruppe. Später wird noch eine Gruppe hinzukommen, die nur „Assets“ bekommt (in diesem Falle eine frei gewählte Kombination aus Ziegen, Hühnern, Mais, Yam und anderem). Innerhalb der GUP und SOUP Dörfer wurden ebenfalls reine Kontrollhaushalte ausgewählt, so will man versuchen sogenannte „Spillover-Effekte“ zu identifizieren.

Der innovative Teil dieser Evaluierungsarbeit, die zufällige Unterteilung in „Treatment“- und Kontrollgruppen, nimmt nur wenige Sekunden und Mausklicke in Anspruch. Da das Projekt auf mehrere Jahre angelegt ist, wird es dauern, bis Ergebnisse vorliegen. Meine Aufgaben umfassen Unterstützung bei logistischen Fragen, der Entwicklung von Monitoring-Mechanismen und der Erstellung/Programmierung des Fragebogens einer großen Zwischenbefragung von 30 Prozent der Haushalte (eine sog. „Midline“).

Noch spannender als die Arbeit ist das Leben in dieser, unserer Welt unbekannten, Großstadt. Mehr dazu unter felipe.dunsch@mercator-fellows.org

Felipe Alexander Dunsch